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Aber wenn man es doch schon weiß!

Heute Nacht um drei Uhr früh wurde der große schwarze Mann durch das laute Geräusch einer knarzenden Nachttischschublade geweckt. Es ist ganz gut so, dass die Nachttischschublade klemmt, denn darin befinden sich Medikamente, die besser nicht in klitzekleine Krabbelhändchen gelangen sollten. Die Schublade darf also weder geölt noch anderweitig repariert werden: Der Wikinger hätte bestimmt eine Riesenfreude daran, die verzwickten Aufreißlaschen der Schmelztabletten zu öffnen.
Leider habe ich mich schon oft über selbige Aufreißlaschen geärgert. Wenn man aufwacht mit Migräne, seltsamerweise kommt die sehr oft ganz früh am Morgen, ist es reichlich ungut, wenn man eine gleißende Nachttischlampe braucht, um das rettende Tablettchen überhaupt erst öffnen zu können! Licht und Migräne gehen erst mal gar nicht und winzig kleine, verzwickte Aufreißvorrichtungen setzen dem ´Garniemalsniernicht´ die Krone auf.
Schon öfter habe ich mich gefragt, ob ich nicht doch mal wieder die Vorgängermodelle ausprobieren sollte! Vielleicht wirken sie ja jetzt wieder, wer weiß? Ich hätte da noch einige und die waren immer super leicht rauszuknipsen!
Zum heutigen Hauptproblem Migräne gesellte sich nach vier viel zu knapp bemessenen Rekonvaleszensstündchen die gefühlt bereits endlos andauernde Trotzphase.
Trotzende Zwillinge.
Temperamentvolle Trotzköpfe.
Unausgeschlafene Trotzköpfe, die abends bis in die (Kleinkinder)puppen Terz machen und am Morgen augenberingt „Ned Kindergarten!“ brüllen.
„Ned Pulli!“
„Blaue Hose! Neiiiiin, schwarze Hose! Keine Hose!“
„Keine Schuhe!“
„Keine Jacke!“
„Ned Auto!“
Jedenfalls war Rotfrau um kurz nach acht bereits so schweißnass, dass die Autoscheiben sanitärem Milchglas ähnelten.
Ankunft in der Vuggestue.
Ausziehen? Theater.
Zur „Himmel“gruppe gehen? Irrsinn.
Rasender Irrsinn.
Eine der Erzieherinnen versuchte, den an mir hängenden Belgier in den Arm zu nehmen, worauf jener sich mit den Füßchen in meinen Jackentaschen abspreizte und wie ein Bergsteiger an mir hochkletterte. Wikinger brüllte aus Leibeskräften, umklammerte mein Bein und verschreckte die anwesenden Gruppenkinder. Zweite Erzieherin greift sich den Wikinger.
„Alles ist gut. Ich hol euch nach dem Mittagessen.“
Küsschen und ab.
Vorher war ich schweißnass.
Nach der Nummer triefnass und mit den Nerven runter. Völlig verunsichert.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass der Tag, der nach einem Migräneanfall folgt, mit einem ordentlichen Kater vergleichbar ist.
Zu ´schlecht´ und ´schwindlig´ gesellt sich eine problematische Koordination der Augen. Die Bilder passen nicht immer aufeinander und alles ist viel zu grell. Ich kann also weder gut sehen, noch die Geräusche unterscheiden: Alles ist gleich laut. Viel zu laut.
Wenn man da dann gleich zweimal aus Leibeskräften ins Ohr gebrüllt bekommt (vermutlich haben sie die Stimmgewalt ihrer Mutter geerbt….öhöm), dann fliegt einem im Normalzustand schon die Birne weg.
Mit Migränekater ist das regelrecht unerträglich.
Beinahe weinend beschloss ich, erstmal einen Spaziergang zu machen.
Frischluft hilft.
Bewegung befreit.

Winter - Kopie

Schön da.
Das mag im Sommer super sein!
Saubere Luft, klare Gedanken.
Es war richtig blöd, dass die Kinder noch in der Eingewöhnungsphase krank geworden sind. Die ersten beiden Tage verbrachte Rotfrau mit den Kleinen gemeinsam in der Kinderkrippe, dann folgte ein kurzer Tag (3 Stunden) ohne Mama und bereits am darauffolgenden Tag musste der schnappatmende Wikinger nach nur einer Stunde wieder abgeholt werden. Belgier natürlich auch.
Die Kleinen waren also die ganze letzte Woche krank zu Hause, bevor es gestern wieder zum ersten Mal in die Vuggestue ging.
Gestern gab es beim Abliefern selbstverständlich Geschrei.
Ist ja normal. Aber laut Pädagogin hätten die beiden es dann recht gut gemeistert, seien mit ihr zum Spielen gegangen und der Belgier sei sogar ganz kurz auf ihrem Arm eingenickt.
Klang so vielversprechend!
Klang so richtig!
Und dann heute früh.
Der heutige Morgen hat Rotfrau schwer verunsichert.
Jaaaaa, ein Kind spürt die Unsicherheit der Eltern.
„Man muss als Eltern selbst wollen, dass das Kind alleine sein kann, dann klappt das auch!“
Ich höre die Damen der Müttermafia förmlich mit erhobenen Zeigefinger zetern.
„Du musst dein Kind stärken!“
„Du musst bedenken, dass dein Kind gerade in der Trotzphase Liebe braucht. Du musst es lenken, am besten aber ablenken!“
„Die Phase prägt dein Kind! Für das ganze Leben!“
***
Ja doch.
Ich weiß das alles selber.
Aber was macht man denn, wenn man selbst auf´m Zahnfleisch geht?
Man kämpft mit den erstaunlich kräftigen Kindern, presst sie in Klamotten. Stopft die Füße in die Schuhe. Zwingt sie gewaltsam in die Autositze. Man ist zu erbärmlich, um zu schreien, zu trösten oder gar  zu schmusen. Man zischt nur noch wütende Kommandos in die Brüllkopföhrchen.
Man zerrt ihnen die Klamotten wieder vom Leib, dann aus der Klammerhand und hängt sie an den Haken. Klemmt sich ein Strampelkind links untern Arm, eins rechts und bittet andere, verstört dreinblickende Eltern genervt, einem die Tür aufzumachen.
Man biegt die Klammerfinger auf und hilft der Erzieherin, das Klammeräffchen in den Arm zu nehmen.
Küsschen und ab.
Pädagogisch völlig daneben.
Sicher.
Man weiß das alles.
Der heutige Morgen ist gewaltig in die Hose gegangen und Rotfrau hat im Park beinahe geweint.
Aber beim Abholen waren die Kinder wuselig in der Gruppe beschäftigt und das Begrüßungsweinen wurde auffallend schnell durch ein
„Sie waren heute richtig toll dabei! Das wird von Tag zu Tag besser! Der …  hat heute sogar schon ein kleines bisschen mitgegessen!“ beendet.
Na bitte.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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