Erfahrungen Auswandern Dänemark
Leben in Dänemark

Auswandern nach Dänemark – unser Erfahrungsbericht

Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen!

Wir haben nicht nur Windmühlen gebaut, wir sind in ihre Nachbarschaft gezogen. Wir leben in Nordjütland, ganz weit oben im Norden von Dänemark. Für uns gibt es unzählige Windmühlen!

Im dritten Teil der Auswandererserie erzählen wir unsere eigene Geschichte.

Meermond Løkken Dänemark
Angekommen in Løkken, Dänemark.

Wer seid ihr und wo wohnt ihr?

Wir sind Alexander und Marion und leben seit Herbst 2014 mit unseren drei Kindern nördlich von Aalborg.

Warum seid ihr nach Dänemark gezogen?

Wir haben die Chance auf ein neues Leben bekommen und sie ergriffen.

Die Aussicht auf ein familienfreundliches Arbeiten in ruhiger und entspannter Umgebung war einfach zu verlockend. Außerdem haben wir die skandinavische Natur und Kultur in mehreren Urlauben kennen und lieben gelernt. Warum also nicht?

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Im Garten unserer ersten Bleibe bei Løkken.

Marion: Ausschlaggebend war der Wunsch, einmal nicht im Alter bereuen zu müssen, dieses Abenteuer eben nicht gewagt zu haben.

Alexander: Für mich war ein wichtiger Grund, dass die rasant zunehmende Besiedelungsdichte und der unbarmherzige Verkehr die Umgebung immer weniger lebenswert gemacht haben.

Leben in Dänemark Auswandern
14.09.2014 – wir starten ein neues Leben in Dänemark.

Wie war es für dich, plötzlich ein anderes Leben zu haben?

Kurz und knapp: aufregend, schön, eigenartig, verwirrend und manchmal verstörend zugleich. Das Bekannte ist nicht mehr da und das Neue ist nicht bekannt.

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Unser altes Leben im Lager von Aalborg.

Die Vertrautheit, in der man sich immer bewegt hat, ist plötzlich weg. Hier ein paar Beispiele:

Marion: Ich wusste anfangs nicht, dass man keinen Überweisungszettel für eine Krankengymnastik bekommt und wartete fast eine Stunde vergeblich darauf. Deutlich erschüttert verließ ich die Praxis. Als ich beim nächsten Arztbesuch gefragt wurde, wie es mir nun nach der Behandlung gehe, war ich perplex und erfuhr von rein digitalen Überweisungen. Woher sollte ich die konkreten Abläufe im System kennen? Wir wussten auch nicht, wo und wie man um einen Logopäden bitten muss – by the way ist es nicht der Kinderarzt, den man hier übrigens gar nicht „hat“ – oder wie die Sache mit der feriepenge (Urlaubskasse) eigentlich wirklich funktioniert. Man trifft ständig auf Vorgänge und Abläufe, die man aber nicht vollständig hinterfragen kann, weil man nicht auf die Idee kommt, dass sie so geregelt sind, wie sie es tatsächlich sind.

Und manchmal ist das alles nicht wie eine wahr gewordene Postkarte!

Postkarte (made by G**le-Effects) von unserem ersten Zuhause.

Dinge, von denen man nicht weiß, dass sie überhaupt existieren, die kann man auch nicht erfragen. Und ohne die richtigen Fragen kann es durchaus mal sehr schwer sein. Hättest du deinen neuen, dänischen Arbeitgeber gefragt, ob du bitte pro Kind unter sieben Jahren zwei von der Kommune (nicht vom vom Arbeitgeber) bezahlte Extraurlaubstage bekommen darfst, die aber im Dezember verfallen, wohingegen das reguläre Urlaubsjahr von Mai bis Mai geht? Es ist wie ein Schlag in die Magengrube, an einem 23. 12. über den Verfall von vier bezahlten Urlaubstagen in Kenntnis gesetzt zu werden!

Wo soll man fragen und vor allem was? Übrigens wird das feriekonto nun von Mai auf September umgestellt und ob das dann auch auf omsorgsfravær einen Einfluss hat, das wissen nur die Götter. ?‍♀️

Man sieht durch neue Fenster.

Erlebnisse wie diese und viele mehr, die inzwischen einen ganzen Blog füllen, öffnen die Herzen noch mehr für ein tiefes Verständnis und Empathie für all diejenigen, die das Gleiche erleben – egal ob freiwillig oder aufgrund von Flucht oder von Not dazu gezwungen.

Was würdest du heute anders machen?

Alexander: Ich würde manches etwas ruhiger angehen und mich bei anderem besser informieren. Es gibt Vieles, was gut klappt, wenn man die richtigen „Knöpfe“ drücken kann. So haben wir erst nach vier Jahren (!) erfahren, dass wir in der Kommune einen uns zugeordneten Betreuer gehabt hätten, der für unsere Anliegen zuständig gewesen wäre. Ein regelmäßiger Besuch dort hätte manches erleichtert. Auch hätte ich auf die Erfahrung von Menschen zurück gegriffen, die diesen Schritt schon getan haben. Hätte also schon vor dem großen Schritt versucht, ein kleines Netzwerk vor Ort aufzubauen.

Marion: Den Hauskauf. Der schnittige Makler hatte ein leichtes Spiel mit uns. Damals. Wir haben nun gelernt, wo, was und wie wir nachfragen müssen. Wir wissen beispielsweise, dass es Leute gibt, die den bei Hauskauf verpflichtenden Zustandsbericht „schön“ bügeln und wie wir das rauskriegen und so vieles mehr.

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Gekauft!

Deutschland oder Dänemark: Was vermisst du? Was bereichert dich?

Alexander: Ich vermisse am meisten meine Freunde und die Familie. Vieles andere sind dagegen nur Kleinigkeiten, die im täglichen Entdecken der neuen Umgebung untergehen. Abgesehen davon sind es nur Sachen wie bestimmte Lebensmittel oder auch – aber nicht mehr sehr häufig – die Einfachheit in der Kommunikation mit der Umgebung.

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Man hat Zeit für Familie.

Mich bereichert die sprichwörtliche Entspanntheit der Menschen hier. Auch wenn es manchmal überraschend oder nervig ist, so führt dies doch dazu, dass der tägliche Stresslevel deutlich geringer ist als in Deutschland. Das betrifft sowohl das Berufsleben, das Warten an der Supermarktkasse oder den Straßenverkehr. Alles ist mit weniger Druck und Hektik verbunden.

Am meisten bereichert mich die Natur und eine Umgebung, die nicht völlig zersiedelt und zugebaut ist. Es gibt – da wo wir uns niedergelassen haben – keine Straßenschluchten, endlosen Betonwüsten oder ein Eingesperrtsein in Stadtgrenzen. Bei uns fängt hinter’m Haus die Natur an und lädt zu Spaziergängen und kleinen Wanderungen ein. Und fährt man ein Stück aus dem Ort hinaus, so ist man wirklich „Draußen“ und nicht nur im Niemandsland zwischen zwei Siedlungen.

Leben in Dänemark
Leben inmitten schöner Natur

Marion: Mein Leben war schon immer ein Abenteuer. Das größte davon erlebe ich gerade. Ich fühle mich pudelwohl in Skandinavien und gehöre einfach hier her. Jeder einzelne Tag ist neu und auf seine eigene Weise besonders. Auch nach viereinhalb Jahren ist nicht die Vertrautheit eingetreten, die meinem alten Leben einen Rahmen gegeben hat. Ich entdecke, genieße, lache, freue mich, vergleiche, übernehme, erinnere mich, denke nach, vermisse, weine – und fülle Meermond damit.

Das sollten die Leser von Meermond erfahren: 

Instagram und Facebook zelebrieren die Schönheit. Reiseblogs laden dazu ein, ein Land entdecken zu wollen. Hochglanzbilder verführen und geschickt gewählte Wort vermögen die Menschen in einen Traum mitzunehmen: den Traum vom Auswandern.

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Träumst du vom Auswandern?

Aber mit einem Leben in Dänemark haben diese Medien nur wenig gemeinsam. Wer von Auswanderung nach Dänemark träumt, der muss sich darüber im Klaren sein, dass er auch auf andere Quellen zugreifen muss. Man braucht das, was man auf den Hochglanzbildern nicht sehen und in den wunderschönen Berichten nicht lesen kann. Denn all das kann das kommende Leben bestimmen!

Das soll nun nicht heißen, dass alles gelogen ist! Man zeigt eben meist nur das, was gesehen werden will. Wer möchte zum Beispiel lesen, dass die Felder in Dänemark regelrecht mit viel zu viel Schweinegülle (ich entschuldige mich) zugekackt werden? Wer findet Fotos schön, die die südliche Umgebung von Hjørring zeigen, wo sich sieben industrielle Mastbetriebe gewaltigen Ausmaßes um eine Biogasanlage reihen? Wer will schon wissen, dass die dänische Landwirtschaft für belastete Binnengewässer sorgt?

Leben in Dänemark
Das ist nur ein Ferienhausgebiet.

Wer in Dänemark leben will, der wohnt sicherlich nicht in einem hyggeligen Ferienhaus in den Dünen (das darf man übrigens nicht), sondern in erreichbarer Nähe oder in einer Siedlung/Stadt mit Infrastruktur. Man braucht Arbeitsplätze, Schule, Kindergarten und vieles mehr. Es sei denn, man hat soviel Geld, um sich einen Traum erfüllen und komplett ohne Verpflichtungen sein zu können. Aber so jemand muss sich vorab nicht informieren. Auch nicht bei Meermond.

Herzliche Grüße aus Dänemark,

Marion und Alexander


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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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