Ausländer sein – warum ich kein dänisches Weihnachten feiern möchte

Dieses Jahr erleben wir ein weiteres Weihnachtsfest in Dänemark. Und genau wie in den vergangenen Jahren überfällt mich zunehmend ein Gefühl, das ich nur schwer beschreiben kann. Ich bin umgeben von Traditionen und Dekorationen, die ich zwar mit offenen Augen beobachte und teilweise begeistert mitmache, aber das dänische Weihnachten ist nicht „mein“ Weihnachten.  Was ist Weihnachten?  Weihnachten ist ein Fest, das mit Emotionen, vielen Erinnerungen und großen Erwartungen verknüpft ist. Es ist das Fest unserer Kindheit.  In meiner Erinnerung ist Weihnachten primär der heilige Abend. Der Tag, an dem prinzipiell schon früh am Morgen das Keifen meiner Mama zu hören war. Wild zeternd schimpfte sie sich jedes Jahr scheinbar unerfüllbaren Erwartungen entgegen. Bis heute weiß ich nicht, was sie eigentlich immer von uns wollte oder was genau ihr gerade nicht passte! Doch wenn es dann endlich Abend geworden war und wir uns gierig um das Käsefondue versammelt hatten, war ihre miese Laune wie in Luft aufgelöst. In meiner Erinnerung singen wir noch immer wahrhaft grauenvolle Weihnachtslieder, die wir mit noch grauenvolleren Rhythmen unterlegen und mit den verschiedensten Instrumenten der Erde begleiten. Wir singen so laut, dass die Parallelstraße im südamerikanischen Takt (sic!) mitklatschen kann und Mama steht mit hochrotem Kopf beim in der Ecke stehenden Weihnachtsbaum und schämt sich ihrer bekloppten Familie.  Ach wenn ich sie doch nur noch ein einziges Mal an Weihnachten zetern hören könnte. Wenn ich ihr noch einmal beim Lachen über das jährlich obligatorische „Meine, deine, unsere“ zusehen könnte. Dänisches Weihnachten  In Dänemark ist es üblich, den heiligen Abend groß zu feiern. Man kocht ein prächtiges Essen und verbringt viele Stunden damit, sich und das Fest der Feste zu genießen. Zum heiligen Abend gehören Kirchgang und ein Festbraten mit glasierten Kartoffeln, brauner Soße und Blaukraut. Das Festmahl krönen ➡Ris a la mande mit ➡Kirschsauce und die Jagd auf das Mandelgeschenk. Der Baum, der bereits am lille juleaften (23. Dezember) vorbereitet wurde, steht bestimmt nicht in einer Ecke, denn um selbigen wird getanzt. Dänen➡ singen und tanzen am heiligen Abend! Überall sieht man lächelnde Nisser und strahlende Gesichter. Alles ist bunt, fröhlich und voller Herzen.  Die vergangenen Wochen haben wir damit verbracht, Santa Lucia mitzufeiern, Herzen zu flechten und auf diversen Weihnachtsfeiern singend um einen Weihnachtsbaum zu marschieren.  Wir haben schon fleißig an Gewicht zugelegt, weil wir uns durch dänische Weihnachtsköstlichkeiten schlemmen. Æbleskiver und Gløgg satt! Wir singen die dänischen Ohrwürmer aus dem FF mit. Aber die Einladung einer Freundin, ein „echtes, dänisches Weihnachten“ bei ihr zu Hause mitzufeiern, habe ich höflich ausgeschlagen. Es ist nicht mein Weihnachten.  Ausländer sein – unser Weihnachten Ich weiß eigentlich nicht, was „unser“ Weihnachten ausmacht. Aber unser Weihnachtsbaum ist nicht knallebunt. Er steht würdevoll in einer Ecke und verleiht dem Zimmer den Glanz, den eben nur ein Weihnachten verleihen kann.  Wir sind Ausländer in Dänemark. Wir fühlen uns wohl hier. Wir leben gerne hier.  Aber gerade in diesen Sekunden kämpfe ich mit Tränen. Das dänische Weihnachten ist nicht mein Weihnachten. Wir essen Fondue, singen und spielen miteinander, knipsen das ultimative Familienfoto und kapseln uns in diesen Tagen von Dänemark und seiner Kultur ab. Wir wollen uns erinnern und an das denken, was uns lieb und leider fern ist. Wir wären so gerne dieses Jahr nach Bayern gefahren, können aber leider nicht. Ich vermisse so viele Lieben. Ich vermisse eine katholische Christmette. Ich vermisse die zu vielen Weihnachtsbesuche. Ich vermisse das Zetern meiner Mama. Und ich vermisse „meine, deine, unsere“.  Frohe Weihnachten, Anmerkung 2020: Dieser Artikel ist bereits zwei Jahre alt. Angesichts aktueller Ereignisse ist er aktuell wie damals. Auch dieses Jahr war es geplant, nach Bayern zu fahren und wir sind traurig. Bleibt gesund!