Leben in Dänemark

Auswandern nach Dänemark – Erfahrungsberichte (4)

Ich wander jetzt aus! Wer hat das nicht auch schon einmal ausgerufen? Auffallend ist, dass sich die Stimmen derer, die sich nach einem Leben in Dänemark sehnen und dorthin auswandern wollen, mehren. Das im Urlaub liebengelernte Land wirkt schließlich verlockend und zahlreiche positive Beiträge in den Medien wecken große Hoffnungen. Wie aber fühlt es sich an, nach Dänemark zu ziehen? Und wie ist es, wenn man dann dauerhaft in Dänemark lebt? Viele Deutsche haben diesen Schritt bereits gewagt. Wir wissen es. Und wir verraten es euch.

Eine Auswanderung ist eine individuelle Angelegenheit. Es treffen daher auch nicht alle der recherchierbaren Fakten und Einzelheiten auf die eigene Situation zu. Und natürlich ist nicht alles, was man über Dänemark hört oder liest, objektiv. Denn jeder Mensch erlebt und empfindet anders. Und doch helfen gerade persönliche Geschichten, einen Rahmen für eine eigene Auswanderungsgeschichte zu finden. Zu lernen und zu verstehen.

Auswandern nach Dänemark – Erfahrungsbericht von Steffi

Heute erzählt die Kinderbuchautorin und Verlegerin Steffi ihre mutige und ermutigende Geschichte. Sie ist von Berlin ins südjütische Sønderborg gezogen und hat sich in ein ganz besonderes Familienabenteuer gestürzt. Wie die anderen Auswanderer dieser kleinen Beitragsserie beantwortet sie heute sechs Fragen.

Auswanderin Steffi (Foto: S. Bieber-Geske)

Wer bist du und wo wohnst du?

Ich bin Steffi, 43 Jahre alt, Kinderbuchautorin und -verlegerin bei Biber & Butzemann, dem Verlag für regionale Ferienabenteuergeschichten. Seit November 2021 lebe ich mit meinen beiden Teenager-Söhnen überwiegend in Sonderburg in Südjütland. Wir pendeln allerdings regelmäßig zu unserem alten Zuhause am Berliner Stadtrand.

Warum bist du nach Dänemark gezogen?

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich eine liebe Freundin in Nordfriesland besucht. Sie eröffnete mir, dass sie mit ihrer Familie nach Dänemark auswandern würde, und brachte damit etwas in mir zum Klingen. Dänemark hatte ich zuletzt vor 20 Jahren flüchtig besucht und es war mir nicht in besonderer Erinnerung geblieben. Doch was meine Freundin Kristina erzählte, klang spannend. Ich begann, Bücher über Dänemark zu lesen und stellte fest, dass mir das Land und seine Bewohner immer sympathischer wurden.

Wir buchten für die Sommerferien eine Woche Familienurlaub auf Römö und wollten anschließend unsere Freunde auf der Insel Als besuchen.

In Sonderburg habe ich mich auf den ersten Blick verliebt. Die kleine Stadt auf der anderen Seite der Flensburger Förde mit der großartigen Infrastruktur war genau das, was ich immer gesucht hatte. Ich verliebte mich in die freundlichen Menschen und dieses kleine, extrem fortschrittliche Land mit dem großen Gemeinschaftsgefühl.

Das Thema Auswanderung stand nun auch für mich Raum, für meinen Mann eher nicht. Im August/September verbrachten die Kinder und ich eine zweiwöchige Probezeit hier, um herauszufinden, ob es nicht nur ein Urlaubsflirt war. Wir testeten den Alltag in Sonderburg, mit Schule, Arbeit, Einkaufen, Kochen und allem Drum und Dran. Doch trotz Alltag konnte ich atmen – in jeder Hinsicht.

Auf den Fotos von mir aus diesen zwei Wochen sah ich eine entspannte, strahlende Frau. So wollte ich in Zukunft viel häufiger aussehen.

Entspannt am Strand auf Als (Foto: K. Jelinski)

Die Kinder fühlen sich zum Glück sehr wohl an der Schule und fanden schnell neue Freunde. Nach einer Woche gab es die erste Einladung zum Kindergeburtstag.

Ich begann, mir Häuser im Internet anzusehen und machte einen ersten Besichtigungstermin aus. Schon als ich den ersten Fuß in die alte Villa im Norden Sonderburgs gesetzt hatte, wusste ich: Dieses Haus hat auf mich gewartet, das ist mein Zuhause.

Ich entschied, das Abenteuer zu wagen und nach Dänemark zu ziehen: mit Kindern, ohne Mann, denn der hängt im Gegensatz zu mir an Berlin und seinem Job dort, während ich schon immer ans Meer ziehen wollte. Wir würden eine Fernbeziehungs-Pendler-Familie werden. Nach 23 Jahren ist unsere Beziehung stabil genug dafür, dass jeder dort leben kann, wo er glücklich ist.  

Das wunderschöne Haus, in dem ich mich bei der Besichtigung sofort so wohl gefühlt habe, ist jetzt meins.

3. Wie ist es für dich, plötzlich ein anderes Leben zu führen?

Es war und ist ein großes Abenteuer. Anders als die meisten Auswanderer haben wir nicht schon ewig von Dänemark geträumt und alles von langer Hand geplant. Wobei ich schon lange davon geträumt hatte, die Möglichkeit, ortsungebunden zu arbeiten, die mein Beruf mir bietet, auch zu nutzen und mit den Kindern mal eine Zeitlang woanders zu leben. Aber da immer klar war, dass ich das ohne meinen Mann tun müsste, hatte ich nie den Mut.

Dänemark war dann eine reine Bauchentscheidung: Hier ist es schön, hier bin ich glücklich, hier will ich bleiben. Und plötzlich hatte ich auch keine Angst mehr vor diesem Schritt, zumal ich ja schon eine Freundin vor Ort hatte und sich durch unsere Probewochen alles bereits recht vertraut anfühlte.

Aber natürlich war und ist es nicht immer leicht. Ich war plötzlich im Alltag alleinerziehend, musste mich um alles selbst kümmern, was mein Mann und ich uns bisher geteilt hatten, egal ob Autokauf, Sicherung wechseln, Einkauf, Kochen oder Putzen. In Notfällen war die Oma oder die Tante nicht verfügbar.

Hinzu kam, dass die Kinder und ich oft krank waren. Die gesunde Meeresluft und das Reizklima, das sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken sollte und das auch garantiert tut, forderte das Immunsystem erst einmal heraus. Hinzu kam Corona.

Aber trotzdem habe ich unseren Umzug nicht einen Tag bereut. Alle zehn bis sechzehn Tage kommt mein Mann zu Besuch oder die Kinder und ich fahren nach Berlin. Das funktioniert ganz wunderbar, wir freuen uns aufeinander und genießen die gemeinsame Zeit viel mehr als früher.

Auch beruflich hat sich im Laufe des Jahres 2021 bei mir einiges in Richtung Dänemark verändert. Ich habe jetzt eine Illustratorin aus Nordjütland im Team, im Sommer 21 ist mit „Abenteuer auf Römö“ das erste Dänemark-Kinderbuch in meinem Verlag erschienen, drei weitere sind in Arbeit, das über Süddänemark schreibe ich natürlich selbst. ? 

4. Thema Auswandern: Was würdest du heute anders machen? 

Mehr Geduld mitbringen. In Dänemark mahlen die Mühlen langsamer. Es dauert, bis man die CPR-Nummer und dann schließlich die NEM-ID* hat, die man braucht, um ein Konto zu eröffnen und teilweise auch um einen Internetanschluss zu bekommen. Solange muss man improvisieren. Das hat mich schon etwas gestresst.

Auch mit Handwerkern muss man teilweise Geduld haben. Da vergehen schon mal ein paar Wochen, bis das Angebot kommt. Aber zum Glück ziehen gerade viele gute deutsche Handwerker nach Dänemark, die noch Platz in ihren Auftragsbüchern haben.

5. Deutschland vs. Dänemark: Was vermisst du, was bereichert dich? 

Ich vermisse meine Familie und Freunde. Davon abgesehen wenig, denn die Lebensqualität in Dänemark ist wirklich sehr hoch. Und da wir nur eine gute halbe Stunde von Flensburg entfernt wohnen, müssen wir auch nicht auf irgendwelche Produkte verzichten, die es in Dänemark vielleicht nicht gibt. In Zeiten von Hamsterkäufen ist es allerdings eher umgekehrt: In Dänemark standen wir noch nie vor einem leeren Regal im Supermarkt.

Ich bin ein extremer Workoholic und hatte mit Dänemark auch die Hoffnung verbunden, ein bisschen entspannter und gelassener zu werden, mehr Balance zu finden – meiner Gesundheit zuliebe. Nach einem knappen halben Jahr kann ich sagen: Ich arbeite nicht unbedingt weniger, zumal auch noch der Sprachkurs mit fünf Stunden die Woche hinzukam, aber ich fühle mich trotzdem entspannter und habe gelernt, mir die Wochenenden wirklich frei zu nehmen. Ich bin also auf dem richtigen Weg.

Das deutsche Schulsystem und ich waren nie Freunde – die Schule hier finde ich großartig, weil die Klassen klein sind (…**). Die Kinder bleiben bis zur 9. Klasse zusammen. Niemand käme hier auf die absurde Idee, einschätzen zu wollen, ob ein Viert- oder Sechstklässler das Potenzial fürs Gymnasium hat.

6. Was rätst du denjenigen, die über eine Auswanderung nach Dänemark nachdenken? 

Sehr hilfreich waren für mich die Dänemark-Bücher, der Austausch mit meiner bereits ausgewanderten Freundin und anderen Auswanderern und Auswanderungswilligen in den entsprechenden Facebook-Gruppen. Hier kam ich auch in Kontakt mit einem Auswanderungsberater und einer Anwältin, die mich ein Stück begleitet haben. Und zwei Probewochen, wie wir sie hatten, kann ich jedem nur empfehlen.

Ganz wichtig ist die Finanzierung. Wir sind als Selbstversorger eingewandert, da ich selbständig bin. Da muss man als Familie schon einen kleineren bis mittleren fünfstelligen Betrag nachweisen, wir zu Dritt zum Glück nicht ganz so viel.

Wer ein Haus in Dänemark kaufen will, sollte sich ebenfalls bereits im Vorfeld informieren, wie das möglich ist. Deutsche Banken finanzieren ungern Immobilien im Ausland, dänische Banken finanzieren ungern frisch Eingewanderte. Am einfachsten ist es, wenn man bereits eine Immobilie in Deutschland besitzt, die man verkaufen oder beleihen kann.

Und man kann es nicht oft genug sagen: Die Sprache zu lernen ist wichtig, auch wenn man gerade hier in Südjüttland wunderbar mit Deutsch und Englisch zurechtkommt. Aber wer bleiben und wirklich ankommen will, kommt nicht drum herum, zumal die Sprachkurse kostenlos sind. Ich schwanke in Sachen Dänisch immer zwischen „Oh, das ist ja einfach“ und „Warum zur Hölle?“. Aber neulich habe ich im Supermarkt verstanden, wie ein Kassierer den anderen nach einem Kugelschreiber fragte. Da war ich schon ziemlich stolz.

Steffi ist verliebt in Sønderborg (Foto: S. Bieber-Geske)

Vielen Dank für deine Geschichte, liebe Steffi. Die Bewunderung vieler Leser ist dir gewiss! Das Interesse am Thema Auswandern nach Dänemark steigt und daher ist es wohl an der Zeit, diese ➡ Serie an Erfahrungsberichten wieder zu beleben. Schließlich ist Auswandern ein erzählenswertes Abenteuer! Bist auch du nach Dänemark gezogen und möchtest anderen von deinen Erfahrungen berichten? Dann schreib doch an kontakt@meermond.de.

Herzlichst,

Auswandern nach Dänemark – Erfahrungsberichte

Auswandern nach Dänemark – Erfahrungsberichte 1: ➡ Yara

Auswandern nach Dänemark – Erfahrungsberichte 2: ➡ Kristina

Auswandern nach Dänemark – Erfahrungsberichte 3: ➡ Meermond

Anmerkungen

* Derzeit stellt Dänemark auf ein neues System um. Bis zum Sommer diesen Jahres sollen alle Nutzer der NemID auf MitID gewechselt haben.

** In Absprache mit Steffi habe ich ihren Beitrag gekürzt.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

2 Comments

  • Stella, oh, Stella

    Na, ob das mit dem MIT-ID was bis zum Sommer wird, ist noch dahingestellt. Wir haben gerade gelesen, dass ca. 1 Million Dänen bei den Kommunen Schlange stehen, um einen Termin zu bekommen. Das ist mal wieder typisch (nicht nur für Dänemark, sondern allgemein für Politiker, die sich ja immer profilieren müssen), dass man unbedingt etwas ändern muss, was gut funktioniert hat, und dann gibt es bei der Ausführung Engpässe und Chaos und kostet det hvide ud af ojnene.

    • Meermond

      Tatsächlich erlebe ich die Umstellung auf MIT auch als verwirrendes Chaos. Haha, den Spruch mit den Augen kannte ich noch gar nicht. Genial, den merke ich mir!

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