Gedanken,  Leben in Dänemark

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Sieben Kämme, Unmengen an Traubenzucker und neun Päckchen Tempo.

Vor zwei Wochen hatten wir Besuch von meinem Papa und dem weltbesten Bruder der Welt. Sie brachten unter anderem vier Handtaschen meiner Mama mit. Ich legte die gesamten Mamasachen in mein Klavierzimmer und war in den vergangenen Tagen öfter dort, um mich von dem vertrauten Geruch umarmen zu lassen. Ich konnte die Dinge weder wegpacken, noch in meiner unmittelbaren Nähe ertragen, und dennoch zog es mich mindestens einmal täglich zu ihnen.

Gestern leerte ich Mamas Handtaschen dann doch aus. Kämme. Tempos. Zucker. Von allem mehr als genug in jeder Tasche. Ein Schmunzeln über diese vielen Kämme ließ das tieftraurige Handeln wehmütig schön werden.

In meiner Erinnerung wird meine Mama immer mehr als ein Haufen Kämme bleiben. In mir lebt sie weiter, mit allen Facetten, die sie so hatte.

Meine Zwillinge werden sich schon bald nicht mehr an sie erinnern und der große Preußenbayer muss ihnen einmal erzählen, wie es war, sie als Oma gehabt zu haben. Menschen verblassen, außer, sie sind Ausnahmetalente, geschichtliche Meilensteine oder in anderen Dingen weltweit großartig.

Wie Sand in einer Sanduhr rinnt die Erinnerung an einzelne Menschen aus der Zeit.

Jetzt im Juni soll Mamas Grab einen Stein und die Einfassung bekommen. Silberne Buchstaben verleihen dann einem kleinen, eingefassten Bild einen Namen. Ein Name, der in traurig kurzer Zeit lediglich zwei Worte sein wird. Dass Mama offenbar einen Kammtick und eine Phobie vor Rotznasen hatte, weiß nur ich. Und nach mir keiner mehr.

Woran wird man sich dereinst erinnern, wenn mein Name auf einem Grabstein steht? Um mich wird die Welt nicht trauern, ich bin lediglich in meiner eigenen, klitzekleinen Welt berühmt. Ich bin kein Künstler, kein Politiker und eine grandiose Erfindung kann ich auch nicht vorweisen. Ich bin hier und dann bin ich verschwunden.

Sicher, ich hinterlasse meine Gene, in meinen Nachkommen habe ich mich tatsächlich verewigt.

Aber was ist mit meinem Ich? Ich verblasse wie Spuren im Sand.

Spuren im Sand

Kennen Sie das? Sie sehen ein unberührtes, weißes Schneefeld und beginnen damit, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Eine hübsche Spur entsteht, auf die man zurückblickt und sich freut. Ich finde es schön, eine Landschaft mit seinem Ich zu gestalten, ohne selbige zu zerstören. Neuer Schnee fällt und die Spuren oder Schneeengel sind nur noch eine Erinnerung. Genau dieses Gefühl überfällt mich, wenn ich auf ein unberührtes Stück Sandstrand blicken darf.

Unser Lieblingsstrand bietet eine erstaunliche Breite und weite, unberührte Dünenlandschaften. Schon oft durfte ich Spuren in die wellenartige Unberührtheit machen. Spuren, kleine Kinderfüßchen, Muschelbilder, Zeichnungen – es macht mir immer wieder auf’s Neue viel Spaß, die Weite als Leinwand für meine Ideen zu nutzen. Und jedes Mal,  wenn ich wieder dort bin, ist die Leinwand erneut unberührt.

Meine Bilder und Spuren werden genauso weggeweht wie irgendwann die Erinnerung an mich.

„Das Internet vergisst nichts“, pflegt der wundervolle, große, schwarze Mann immer zu sagen. Nette Idee, Meermond bleibt also irgendwo da draußen.

Aber mal ehrlich, wer liest sich durch meine Texte, wenn die Zeit außerhalb Meermonds Heute eine ganz andere geworden ist? Wenn niemand mehr Bezug zu dem Menschen hat, der einst diese Worte auf der anderen Seite des Bildschirms in das Netz getippt hat? Ich bin weder Shakespeare noch Bertolt Brecht, die man ewig bewundern wird. Meermond ist auch kein Jahrhundertwerk, sondern lediglich eine Textsammlung einer großen, roten Frau, die mit kleinkindlichen Zwillingen, einem wundervollen Pubertier und eben solchen Ehemann aus Deutschland weggezogen ist und nun in Dänemark lebt.

Aber Spuren im Sand werden vermutlich noch in 200 Jahren etwas Schönes sein und bestimmt mögen es die Menschen der Zukunft genauso gerne wie ich, eine unberührte Sand- bzw. Schneelandschaft zu „verzieren“.

Mein Bild ist also quasi zeitlos:

Spuren

Das Internet vergisst nichts. Na bitte, wenigstens das nicht!

Bitte bedienen Sie sich, Sie dürfen mein Bild gerne verwenden. Ich verzichte sogar darauf, es zu signieren, damit mein Name darauf Ihre Worte bzw. Gedanken nicht verunziert. Vielleicht dienen Ihnen meine Spuren als Anregung? Positiv oder gar negativ?

Wohin wandert mein Ich im Netz?

Ich weiß nicht, ob man meinen Wunsch, ein Bild zu teilen, „Blogparade“ nennen kann, so wie viele es tun. Aber ich hoffe dennoch darauf, meine Spur irgendwo im Netz, vielleicht auf einem anderen Blog wiederzufinden. Versehen mit anderen Worten, anderen Gedanken oder Anregungen?

Ich würde mich freuen, denn so bleibt vielleicht doch eine kleine Spur von mir in der Sanduhr der Zeit zurück.

So, und nun warte ich gespannt, wohin das Netz mich tragen wird. (Link bitte im Kommentarfeld angeben, tausend Dank!)

Guten Abend, Meermond

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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