Nordjütland,  Reisen in Dänemark

Die Seele der Mårup Kirke ist verschwunden

Mårup Kirke ein Ort, der für Erinnerungen und große Empfindungen steht. Doch nun hat ihn selbst der Anker der The Crescent verlassen – und damit das letzte bisschen Seele, das sich noch an diesen Ort bei Lønstrup geklammert hat, mitgenommen. Die Seele der Mårup Kirke ist verschwunden. Lohnt es sich nun überhaupt noch, die windumtoste Abbruchkante bei Rubjerg Knude zu besuchen und auf eine grausige Geschichte hinabzustarren?

Ich persönlich werde genau wie viele andere Touristen immer wieder mal dort vorbeikommen. Weil ich wie sie das langsame Sterben dieses Ortes verfolgt habe und mich meine Erinnerungen magisch anziehen. Wer aber noch nie an den weißen Grabzäunen oder in den gekalkten Mauern von Mårup Kirke gestanden hat, wird die dortige Magie nicht erkennen können. Denn jetzt ist sie nicht mehr da.

Mårup Kirke (Foto: Margit Keller) 

Lesetipp: Alle Informationen über die Geschichte und die Seele der Mårup Kirke


Anja kennt die Gegend bei Lønstrup wie ihre Westentasche. Und heute nimmt sie uns auf eine Gedankenreise mit:

Die verschwundene Seele der Mårup Kirke

„Ich habe eine vage Erinnerung aus meiner Kindheit: eine kleine weiße Kirche in Lønstrup ganz in der Nähe unseres Ferienhauses. Im Sommer ist es drinnen kühl, draußen zwitschern die Vögel und man hört das Meer rauschen.

Die Mauern der Mårup Kirke waren weiß gekalkt. (Foto: Anja Jorre)
Der Anker des gesunkenen Schiffes The Crescent hatte zusammen mit vielen verstorbenen Seeleuten auf dem Friedhof der Mårup Kirke seine letzte Ruhe gefunden. (Foto: Anja Jorre)

Ungefähr vor 50 Jahren bin ich das erste Mal dort gewesen. Und dann jahrelang immer wieder.
Woran ich mich sehr gut erinnern kann, ist das Gefühl, das ich hatte, wenn ich auf dem Friedhof dort war. Anfangs war ich noch so klein, dass ich nicht einmal richtig über die weiß gestrichenen Zäune gucken konnte. Es war dort irgendwie unheimlich, aber nicht dieses unangenehm unheimlich, sondern irgendwie mystisch, magisch.

Und schön.

Dieses Gefühl hatte ich dort immer. Auch als ich älter wurde.

Ein Ort voller Magie (Foto: Anja Jorre)

Ab meiner Jugend gab es eine Pause mit den Besuchen dort, denn wir haben andere Urlaubsorte besucht. Vor 15 Jahren war ich dann wieder da. Sogar das Ferienhaus, in dem wir früher Urlaub gemacht haben stand noch.
Die Kirche war schon teilweise abgebaut, aber das Gefühl – das war sofort wieder da!

Die Kirche wurde abgebaut und die Steine aus Pietätgründen zermahlen. (Foto: Anja Jorre)

Ein etwas unheimlicher Flashback. Meinem Mann und meinen Kindern konnte ich das gar nicht richtig beschreiben.
Seitdem sind wir jedes Jahr mindestens einmal dort gewesen. Die Kirche wurde komplett abgebaut, die Grabsteine teilweise umgestellt, der große Anker versetzt, der hölzerne Glockenturm entfernt, aber mein Gefühl – das blieb. Es blieb wie die weißen Zäune, die manchmal sogar noch neu gestrichen wurden.

Die Gräber auf dem Friedhof waren weiß eingezäunt, der Glockenturm aus Holz. (Foto: Anja Jorre)

Das Verschwinden

In den letzten Jahren wurde der Friedhof immer kleiner. Die Steilküste brach immer weiter ab. Erschreckend schnell. Die Abbruchkante rückte immer näher. Bald konnte man nur noch hinter den Resten des noch zu ahnenden Fundamentes lang gehen und nicht mehr vor der Kirche. Das war traurig, aber meine Ehrfurcht und dieses besondere Gefühl an diesem Ort waren noch immer da.
Bis zum März diesen Jahres.
Ich stand auf den Resten des Friedhofs. Ich sah, dass seit vorigem Oktober etliche Meter Steilküste fehlten, es gab nur noch ein paar Reste des verwitterten weißen Zaun und ich sagte zu meinem Mann: „Ob sie wohl den alten Anker retten oder ob sie ihn herunter stürzen lassen?“

Nur zwei Tage später erhielt ich eine Nachricht und ein Bild. Der Anker war weggeholt worden.
Wir fuhren sofort hin zur Mårup Kirke.
Es sah fast aus wie zwei Tage zuvor, nur der Anker fehlte. An seiner Stelle steht jetzt ein Schild. Er wird
restauriert und dann bei der Kirche im Ort aufgestellt.
Und als hätte dieser Anker mein besonderes Gefühl dort irgendwie festgehalten in den letzten Jahren –
jetzt war es plötzlich weg.
Von einem Tag auf den anderen.
Die Seele der Mårup Kirke ist verschwunden.“

Die Seele der Mårup Kirke ist verschwunden: An der Stelle des Ankers steht heute ein Hinweisschild. (Foto: Anja Jorre)
Der Anker ist der The Crescent ist weitergezogen. (Foto: Anja Jorre)

Lohnt es sich noch, Mårup Kirke zu besuchen?

So wie Anja geht es vielen, die in den Norden von Dänemark reisen. Nicht wenige kennen die Region seit ihrer Kindheit, so auch ich. Da Meermond ein Herzensprojekt ist, wird es Zeit für ehrliche Worte:

Wer Mårup Kirke nie zuvor besucht hat, der kann sich den Weg eher sparen. Dieser Ort vermag keine neuen Empfindungen auslösen. Besuch besser die wundervollen Keramikstätten und Kunsthandwerker in und um Lønstrup! Und wer nicht genug vom Grauen der abbrechenden Steilküste bekommen kann, der kann von der ehemaligen Mårup Kirke aus eine beeindruckende Wanderung antreten.

Meiner Meinung nach die beste, die man in Nordjütland machen kann! Lies hier, wie du sie findest:


Lesetipp: Die beste Wanderroute in Nordjütland


God tur,

Vielen Dank für deine Erinnerungen und deine schönen Fotos, liebe Anja!

Danke an Margit, die mir schon vor vielen Jahren ihre Erinnerungen geschickt hatte.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

8 Comments

  • Alfred Dannemann

    Auch wir haben Marup Kirche seit 1998 verfolgt und sind immer, wenn wir in Lönstrup oder Tversted waren, hin gefahren. Die Mystik des Ortes war für uns immer sehr spürbar. Waren dieses Jahr im April da und haben auch das fehlen des Ankers festgestellt. Auch das wieder ein sehr großes Stück der Steil Küste weggerissen war. Wir werden aber solange wie es geht, immer wieder in Marup Kirche vorbei schauen.
    Möchte noch kurz anmerken, dass der Film „ Babettes Fest“ aus dem Jahr 1987, in Marup Kirche gedreht wurde.
    Lg Alfred

  • Marlies Wolf

    Ich glaube, ich war 2007 zum ersten mal dort, kenn alles noch im Originalzustand. Konnte dann aber in den späteren Jahren den Rückbau mit verfolgen. Nun gibt es nichts mehr, zum Glück haben wir viel fotografiert…

  • Heike B.

    Oje, menno. Nun ist auch noch der Anker weg – wie traurig! Wir waren in den 70 ern und 80 ern dort und es ist fast so, als wäre ein Stück Kindheit weg; ich erinnere mich noch gut an dieses mystische Gefühl, das ich dort immer hatte… Danke für den Bericht.

    • Gabi

      Im November / Dezember 23 war er noch da. Für mich wird dieser Ort immer ein Sehnsuchtsort bleiben. Wir haben uns oft den Schlüssel aus dem Tourist Büro geholt, als sie nicht mehr geöffnet war. Haben Kerzen in Gläsern angezündet und in der Kirche gesungen. So viele Erinnerungen. Ich liebe die Gegend um Lønstrup besonders und werde immer wieder bei Mårup vorbei schauen. Auch wenn irgendwann nichts mehr vom Kirchgarten da ist. Vielleicht steht dann eine Bank da. Zum Verweilen, Träumen und den Blick dahin wenden, wo einst meine Lieblingskirche stand.

  • Herr Reinhold Alois Schindler

    Vielen Dank für den schönen Bericht und die tollen Bilder.Der Anker wird aufwendig restauriert.
    Unser 1 Dänemarkurlaub war 1978 in Lönstrup,das Häuschen war in der Nähe der Marup Kirche.
    Zuletzt waren wir im September 2021 bei besten stürmeschem Wetter dort.
    Der Ort wird auch seine Seele und Magie nie verlieren !

    Ganz liebe Grüße an die Meermond-Familie
    Reinhold aus HH

  • Monika

    Danke für deinen Bericht. Wie oft waren wir dort, egal wo wir auch in DK Urlaub machten, einen Tag mußten wir zum Rubjerg Knud und nach Marup. Leider ist uns das seit 2 Jahren aus Alters- und Gesundheitsgründen nicht mehr vergönnt. Die Erinnerungen leben und werden dank deiner Berichte am leben erhalten.

      • Jutta Fiedler

        Wir waren auch über Jahre immer wieder bei der Marup Kirke. Haben quasi auch alle Stationen miterlebt. Erst letztes Jahr waren wir wieder in der Gegend und ich wollte unbedingt hin. Man steht dann doch sehr erschüttert da und kann nicht glauben, dass alles weg ist. Und jetzt auch noch der Anker.

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