Bloggeplauder mit der Kapidänin – 2
Das Geplauder mit Dänemarkbloggerin Kapidänin geht weiter. Den ersten Teil unseres Gesprächs findet ihr hier.
Meinen letzten Brief schloss ich mit den Worten:
„Wie wirken die Dänen eigentlich auf dich? Verstehst du ihren seltsamen Humor? Ich wurde liebevoll ausgelacht, weil ich ein „Nein, du darfst meinen Stift nicht ausleihen“ wörtlich genommen hatte und ihn beschämt zurück gegeben hatte. Nå?„
Im heutigen Teil erhaltet ihr ein wenig Einblick über unser beider „Kennenlernen“ der dänischen Kultur und Lebensart. Und wie wir beide damit umgegangen sind.
God fornøjelse ❤
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Liebe Marion,
inzwischen ist einige Zeit vergangen und Dein Kurs beendet – war die Woche so lustig, wie Du es erwartet hast? Das hoffe ich doch sehr! Erzähl doch mal mehr von Deiner Ausbildung, das finde ich interessant… Ich habe überhaupt den Eindruck, dass man in Dänemark berufsmäßig in den seltensten Fällen auf einer Stufe bleibt. Quereinstiege, Weiterbildungen und auch nochmal ganz von vorn zu beginnen ist sehr viel öfter an der Tagesordnung als es das in Deutschland ist. So ist zumindest mein Eindruck aus meiner Zeit in Dänemark.
Als ich beim Bildungsträger der IHK arbeitete, hatte ich viel mit dem dänischen Arbeitsmarkt zu tun. Das war toll, muss ich sagen – und hat mich einiges gelehrt. Man ist sich nicht für irgendetwas zu schade – und wird auch nicht schräg von den Nachbarn beäugt. Ich habe eine Ärztin kennengelernt, die zeitweise Bäume gefällt hat, weil sie gerade „in ihrem Job“ nichts fand und niemand fand das merkwürdig. Im Gegenteil.
Was Du über Deine Kursleiterin schreibst, klingt spannend – hat sie diese Art so durchgehalten die ganze Woche? Ich glaube, ich kenne keinen einzigen Dänen, der so extrovertiert ist – aber wäre es nicht schlimm, wenn alle Klischees auf jeden passen? Öde! ☺
Du fragst mich, wie die Dänen auf mich wirken … Nun, ich denke, hier macht sich tatsächlich ein Unterschied zwischen Nord und Süd bemerkbar – interessant, oder? Auf mich wirken die Dänen ausgesprochen angenehm (was nicht heißen soll, dass Du etwas anderes behauptet hättest!) – ich mag diese auf den ersten Blick vielleicht kühl wirkende, zumindest aber zurückhaltende Art. Da fühle ich mich pudelwohl – ich bin selber auch so. Aufgewachsen in Norddeutschland – ich brauche meist Anlauf, um mit anderen Menschen warm zu werden. Und auch, wenn es keine großen Gesten und laute Sympathiebekundungen bei Dänen gibt (jedenfalls bei dem Großteil), so sagt das überhaupt nichts aus über die große Herzenswärme, Empathie und Freundlichkeit.
Den Silberhochzeitsbrauch kenne ich übrigens nicht – er klingt aber lustig. Wer weiß, vielleicht feiere ich meine ja in Dänemark? Allerdings kenne ich einige der Hochzeitsbräuche… Du hast ja sicher auch schon mit Dänen gefeiert? Dann weißt Du ja, dass sie das kontrolliert Wirkende durchaus abstreifen können – und zwar komplett. Ich habe nie schöner gefeiert als zusammen mit Dänen. Das ist Lebensfreude pur. Hast Du davon gehört, dass man dem Bräutigam die Socken zerschneidet? Sehr spaßig, vor allem nach durchtanzter Nacht ☺
Witzig, dass Du mich auf den dänischen Humor ansprichst – gerade vor kurzem habe ich einen Podcast von DR1 gehört – Prominente werden da zum Thema dansk! befragt, sehr interessant! Nun, in der gehörten Folge äußert sich Thure Lindhardt unter anderem zum Thema Humor, den er als sehr unterschiedlich zwischen dänischem und deutschem beschreibt. Dänischer Humor ähnele eher dem britischen, und da bin ich ganz d’accord. Manchmal passen sogar die Wortspiele ob der Ähnlichkeit der Sprachen exakt. Als ich im Restaurant eines Badehotels mal danach fragte, ob ich Bilder machen dürfe, wurde mir das bewusst.
Må jeg godt tage billeder?
Ja, hvis bare du lad nogle af dem hængende.
– Darf ich Bilder NEHMEN (wie im Englischen:to take pictures)?
– Ja, wenn du einige an den Wänden hängen lässt.
Dauerte einen Moment, aber es ist ein typisches Beispiel.
Und zum Thema dänischer Humor kann ich noch eine weitere, sehr schöne und wahre Geschichte erzählen. Sie sagt eigentlich alles über die Art des Humors aus.
In meinem Studium, das neben Skandinavistik auch Kunstgeschichte umfasste, war ich einmal mitsamt der versammelten Seminarschar bei einer Preisverleihung in der Kunsthalle. Dort wurde Per Kirkeby geehrt. Den kennst Du ja sicher. Ich habe vergessen, um was für eine Auszeichnung es ging – Gegenstand war auf jeden Fall eine seiner Malereien. Gegenstandslos. Das Bild hing hinter dem Rednerpult. Es wurden Reden geschwungen, die einer Oscarverleihung würdig gewesen wären – Direktor der Kunsthalle, Professoren der Kunstgeschichte aus Deutschland, Dänemark und Norwegen hielten ihre Lobreden. Sie beschrieben, was auf dem Gemälde ihrer Meinung nach zu sehen sei und was es bedeute in epischer Breite. Ich habe noch „den verregneten Abend in einer skandinavischen Großstadt“ im Ohr und wie er in das Gesamtwerk des Künstlers passe.
Dann wurde Per Kirkeby nach vorne gebeten und das erste, was er sagte, war: Das Bild hängt falsch herum.
Totenstille.
(Ich schaute mich reflexartig um nach der „Versteckten Kamera“)
Das Bild hing nicht falsch herum. Es war ein Witz. Und es war noch eines: Es war der Ausdruck für etwas, was ich auch als typisch Dänisch empfinde: Nimm dich selbst nicht so wichtig. Und glaube nicht, dass du besser als dein Nebenmann bist.
In diesem Sinne! Liebe Grüße von der Ostsee!
Deine Bille
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Liebe Bille,
das Bild hängt tatsächlich falsch herum ?.
Ich habe bei dieser Geschichte sehr herzlich gelacht, denn das war wirklich ein Paradebeispiel für den Humor, der mich hier Tag und Nacht umgibt. Ich verstehe ihn leider nicht immer gleich. Das wird sich aber vermutlich bald legen, denn inzwischen fängt auch mein Mann damit an, mit derart knochentrockenen Kommentaren zu glänzen. „Ich habe schon Schlechteres gegessen.“ Gelernt von dänischen Freunden und sofort übernommen.
Sarkasmus, Hygge und das Jantelov prägen die dänische Gesellschaft, doch auch ihre protestantischen Wurzeln. Man ist nicht besser als der andere, man ist arbeitsam und fleißig und gibt sich mit dem zufrieden, was einen umgibt. Eine vertikale Hierarchie, wie ich sie aus meinem Berufsleben in Deutschland als „normal“ kenne, dürfte hier eher ungewöhnlich sein. Man spricht sich überall auf Augenhöhe an, das Du ist sowieso selbst verständlich und alle Beschlüsse werden den Mitarbeitern nicht wie gewohnt von Oben präsentiert, sondern besprochen und ggf. auch durch Verbesserungsvorschläge von Unten abgeändert. Das Team wird häufig auch bei der Einstellung neuer Kollegen mit einbezogen. Mit dem Chef auf Augenhöhe zu sein, kannte ich so nicht und darum war ich auch total perplex, als meine Chefin verwundert über die Tatsache war, dass ich ihre Töpfe beim Mitbringfest gleich mit abgespült hatte. Sie umarmte mich und meinte, das hätte ich wirklich nicht zu tun brauchen. Dabei war ich doch sowieso am Becken gestanden, um meinen Krempel zu säubern und dachte mir nichts weiter dabei. Chefin rannte doch noch herum und war mit anderen Dingen beschäftigt. Meine Kollegen, die bereits fertig waren, guckten mir Wein trinkend und erstaunt zu. „Das kann die doch selbst machen?“ – Ja, kann sie, aber sie ist doch die Chefin…?
Als ich meinen Job aus privaten Gründen kündigen musste, wünschte sie mir alles Gute und gab mir Anregungen, wie ich nun meine Zeit nutzen könnte. Sie erzählte mir, was sie schon alles gemacht hatte. Nicht nur innerhalb ihres erlernten Berufs. Es stimmt nämlich, dass man in Dänemark nicht so arbeitet wie in Deutschland: Schule, Ausbildung, Job bei einer Firma bis zur Rente.
Hier ist der Arbeitsmarkt flexibel und die Kündigungsfristen sind richtig kurz. Genauso schnell rutscht man wieder in eine andere Stelle hinein und wenn es was ganz anderes ist. Ein Kollege verabschiedete sich aus seinem Lehrberuf mit den Worten: Ich habe jetzt Lust, ein Zimmerer zu sein. Sprach’s und wurde Zimmerer.
Das geht hier und wird auch nicht kritisch beäugt. Und der Banker am Anfang der Straße ist jetzt ein hauptberuflicher Musiker und ich machte eben einen Kurs in Babymassage bei einer extrovertierten Gute – Laune – Dänin.
Und ja, sie hat diese Laune die ganze Woche durchgehalten.
Es war fabelhaft bis zum letzten Tag, an dem wir mit wedelnden Fahnen begrüßt wurden.
Soderle, ich geh jetzt den morgigen Tag vorbereiten. Diese Woche wird nämlich irrsinnig heiß und ich muss ins Freibad mit den Kindern flüchten. Es ist nicht mehr auszuhalten.
Der Garten ist braun, meine Blumen sterben leise vor sich hin und ich kann die Dürre, die Skandinavien dieses Jahr heimsucht, nicht mehr weggießen. Die Blumen, die im August blühen sollten, sind entweder schon vertrocknet oder haben schnell eine mickrige Blüte gehabt. Die Strände sind unglaublich sandig – noch mehr als sonst. Saltum gleicht einer Wüste und es macht mir gerade wenig Spaß, mit vollbepackten Tüten den irrsinnig langen Weg durch tiefe Sandhaufen zu gehen…
Schau mal, das Bild ist vom Samstag:
Mit diesem Bildergruß wünsche ich dir noch eine erfolgreiche und gesunde Woche und freue mich darauf, wieder von dir zu hören.
Ha‘ det godt,
Marion
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Fortsetzung folgt,
10 Comments
Pingback:
Silke
Moin, mit dem Humor hätte ich keine Probleme, bin Norddeutsche und soviel anders ist der hier auch nicht.
Was ihr bzgl. dem Arbeitsmarkt schreibt, kann ich nur bestätigen. Unser einer Freund in Dänemark hat schon als Maler, in einer Papierfabrik usw. gearbeitet.
Und war ihr bzgl. des Arbeitsklima (Rangordnung) schreibt, da könnte sich so manch deutscher Chef eine Scheibe von abschneiden
Liebe Grüße
Silke
Meermond
Moin Moin – das geht auch um dreiviertel 11 🙂 Ich denke, man darf nicht nur schwarz – weiß sehen. Es gibt solche und solche. Ich finde, wir könnten von allen ein bisschen was lernen, nicht? Und darum sagte oben ein waschechter Bayer um dreiviertel 11 eben mal Moin Moin. Hihihi, ganz liebe Grüße <3
stefleifotografie
Sehr interessant. Und sicherlich eine Gewohnheitssache.
Meermond
Ja, wir sind noch etwas unsicher, aber das liegt einfach an unserem deutschen Hintergrund.
Übrigens, ich habe deinen Kommentar soeben aus dem Spam gefischt! Überprüf mal, ob du bei anderen Blogs kommentieren kannst…Ich selbst war von Wordpress auch schon mal als Spam eingestuft worden. Passiert leider irgendwann jedem mal 😉
stefleifotografie
Danke! Ich guck mal!
stefleifotografie
Klingt ja anstrengend, wenn man so plötzlich den Job wechseln muss. Vom Humor her würde ich mich wohlfühlen.
Meermond
Der Arbeitsmarkt ist flexibler als in Deutschland. Klingt für „uns“ erschreckend, ist aber nicht so schlimm. Man findet leichter wieder was – und wenn es komplett anders ist.
freiedenkerin
Ich habe euer Bloggeplauder sehr genossen! 🙂 Und die Unterschiede zwischen Dänen und Deutschen finde ich ausgesprochen interessant. Vor allem, was über den Humor und das Berufsleben geschrieben wird…
<3 liche Grüße!
Meermond
Danke dir. Ich wünsche dir eine schöne Woche ?