Als wir uns aufmachten, Ruinen zu suchen und Schweden fanden
Erst vor Kurzem haben Alexander und ich die geheimnisvolle ? Geschichte der Reisenden erfahren. Seitdem waren wir sehr gespannt darauf, die Ruinen und Hinterlassenschaften des fahrenden Volkes zu entdecken. Das lausige Oktoberwetter ließ allerdings keinen Ausflug in ein Moorgebiet zu.
Der Zufall will, dass Bloggerfreundin Stella genauso neugieriger Natur ist wie ich. Bei herrlichem Sonnenschein machten wir uns gestern gemeinsam auf, die Reste der Erdhütten und Behausungen der Menschen im Sumpf zu finden.
Dazu fuhren wir nach Dronninglund zum Storskov, wo sich einst Gaukler und Zirkusartisten während der Wintermonate vor der Zivilisation verbargen.
Wohnen im Sømose
Mitten im Wald bei Dronninglund befindet sich eine zauberhaft wilde Seenlandschaft. Um diese herum reihen sich entlang einer Wanderroute die Reste der Erdhütten/Behausungen, in der die Menschen viele Jahre überwintert hatten. Landschaftlich ist es dort wunderschön, aber wie nur lebt man da? Vor allem im Winter, wo es nur von 9 bis 15 Uhr hell ist und alles im wahrsten Sinne des Wortes sumpfig ist?
Gleich zu Beginn des Wanderwegs fanden wir am Hang Erhebungen, die wir als Grundmauern deuteten. Auf unserer Karte war an dieser Stelle der Wohnsitz eines Christian Mohr eingetragen. Als einziger der als „Subjekte“ bezeichneter Leute besaß er Grund und Boden, den er für eine halbe Flasche Schnaps und zwei Bier erworben hatte. Seine Ehefrau war allerdings so garstig, dass er sie und die 10 Kinder verließ und sich ins Sømose flüchtete. Von seiner dortigen Hütte gibt es heute nur noch ein Foto. Um weiteren Zuzug zu unterbinden, riss man jene nämlich kurz nach seinem Tod 1930 nieder. Die Aussicht, die sich ihm an seinem Zufluchtsort geboten haben muss, ist herrlich:
Wandern im Sømose
Wir folgten der Route und entdeckten weitere Spuren aus der Vergangenheit. Manche von ihnen sind inzwischen so verwildert, dass wir uns etwas anstrengen mussten, noch etwas zu erkennen. Andere hingegen sind bis heute kaum zu übersehen:
Stellenweise mussten wir an den Hängen gehen, da die Wege derzeit unbetretbar sind. Schließlich sind die Sømose ein Moorgebiet.
Je weiter wir wanderten, umso mehr hatten wir das Gefühl, nicht mehr in Dänemark zu sein. Wir sahen große Felsen, klares Seewasser, unberührte Natur und erlebten Windstille. Beinahe gleichzeitig fühlten wir uns an Schweden erinnert.
„Das ist fast so wie in Schweden!“
Der Wanderweg um den See ist abwechslungsreich und man kann sich immer an große Tische setzen, um die prachtvolle Landschaft auf sich wirken zu lassen. Oder auch um Fotos zu machen. Jedenfalls bereute ich es gestern sehr, kein Picknick im Rucksack dabei gehabt zu haben.
Der Weg rund um den See herum ist in etwa 30-45 Minuten zu gehen. Wir brauchten fast doppelt so lange. Kein Wunder, wenn man sich nicht entscheiden kann, welche Aussicht schöner ist!
Birken, Gräser, Wald und Wasser – ein bezaubernder Ort und ein kleines bisschen schwedisch.
Wanderrouten
Bei Sømose gibt es drei Wanderrouten. Die kürzeste (2km) führt um den See herum, eine zweite ist als Rundweg (5km) durch den Wald ausgewiesen und die dritte mit 6km lädt sogar zum Gipfelsturm ein.
Hat man sich am zauberhaften Sumpf und Wald satt gesehen, könnte man also die Gelegenheit wahrnehmen und einen der lokalen „Berge“, den Knøsen, besteigen: einen der höchsten Erhebungen in Nordjütland. Keine Angst, „Berg“ und „besteigen“ ist in Dänemark immer ein wenig zu relativieren. Es ist auch für kleine Kinder kein Problem, den auf 136 m Höhe liegenden Gipfel zu erreichen.
Die versprochene Aussicht vom Gipfel wird durch den dichten Baumbestand leider etwas eingeschränkt. Wir waren mit unseren Kindern im vergangenen Winter dort und waren nicht wirklich beeindruckt. Aber der Spaß, ein selbst gebasteltes Gipfelkreuz beim Klang dramatischer Orchestermusik in die Erde zu rammen, ist jeden einzelnen Schweißtropfen bei der irren Besteigung wert gewesen ?.
Nachtrag: Geschichtliche Hintergründe
Um 1900 hatten sich etwa 40 Familien im Gebiet des Sømose bei Dronninglund angesiedelt. Ihre ärmlichen Erdhütten im Wald waren ohne Wasser und Licht. Von den Einheimischen gemieden lebten die Menschen zurückgezogen, ihre Kinder besuchten die örtlichen Schulen nicht.
Jedes Jahr kehrten sie nach ihren Sommerreisen zur Überwinterung ins Vendsyssel zurück. Ein Zeitgenosse schildert ihr Ankommen als „farbigen Treck im grauen, schweren Novembergrau“. Die prächtige, bunte Kleidung, das fröhliche Geplapper und die reichlich geschmückten Frauen sorgten einerseits für großes Aufsehen, andererseits für Abneigung und Missgunst.
Immer wenn die Nachfahren der Reisenden heute nach Nordjütland kommen, besuchen sie die Reste der Hütten ihrer Urgroßeltern. Über ihre Ankunft im Vendsyssel freuen sich die Menschen heute sehr – handelt es sich nämlich um die großen Zirkusfamilien Enoch, Mundelig, Hertzberg und Benneweis.
Man kann also sagen, dass die Wurzeln der bekanntesten Zirkusdynastien Dänemarks in einem ?Sumpfgebiet im Vendsyssel liegen.
Herzlichst,
9 Comments
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gkazakou
interessant. Ich dachte sofort an „Abend der Gaukler“ von Ingmar Bergman, einen meiner Lieblingsfilme.
Meermond
Ich gestehe, ich bin filmisch absolut ungebildet ?
Stella, oh, Stella
Das war ein fabelhafter Tag! Du hast einen schönen Beitrag daraus gemacht! Diese Fotos … diese Farben … 🙂
Meermond
….diese Begleitung… ?Es war einfach ein schöner Ausflug! Das nächste mal besuch ich dann „euren“ Sumpf. Mit Picknickrucksack. Gute Idee?
Stella, oh, Stella
Ja, da gibt es auch so schöne Picknickplätze.
Meermond
Gut, dann machen wir das. Den steigenden See möchte ich gerne sehen.
Stella, oh, Stella
Da soll ja wieder so viel Regen runterkommen, ein ganzer Meter, dann ist die Strasse u. U. unter Wasser …
Meermond
Hm. Doof. ?