Gruselig, wenn es dann auf einmal soweit ist!
Am Freitag war der große Riesenneffe samt Püppchenfreundin bei uns. Sie haben sich dazu bereit erklärt, ein Wochenende für die Ausfuhr unseres Familienautos zu opfern. Wir können/wollen uns die dänische Zulassungssteuer dafür nicht leisten und müssen das Auto daher aus Dänemark rausschaffen. Traurig, ist aber so.
Was macht man, wenn man Besuch hat, der eigentlich nur wenige Stunden hier ist? Man versucht, soviel wie nur möglich auf einmal zu erleben.
Alles zeigen, was es zu zeigen gibt. Alles erzählen, was es zu erzählen gibt.
Ein paar Stunden. Das ist wenig, aber sie reichten aus, um dem kleinen Belgier völlig den Kopf zu verdrehen. Er war beinhahe verliebt in die beiden und wollte ständig deren Aufmerksamkeit. Der kleine Wikinger war zwar neugierig, aber zu verschreckt, um seinem Patenonkel – der eigentlich sein Patencousin ist – die Zuneigung zukommen zu lassen, die der sich vielleicht gewünscht hätte.
Riesenneffe wollte ans Meer. Wir brachten ihn an eine für uns besonders beeindruckende Stelle, die gleich drei Besonderheiten auf einmal bieten kann:
Den versandenden Leuchtturm Rubjerg Knude, die abbrechende Steilküste bei Lønstrup und das wildeste Meer, das man hier wohl finden kann.
Rotfrau braucht vermutlich nicht zu erwähnen, wer da auf den Wellenbrechern herumgehüpft ist und sich wie Leonardo als König der Wellen in den brüllenden Wind gestellt hat…
Bereits nach dem Mittagessen machten sich Riesenneffe und seine Püppchenfreundin auf den Rückweg. Mit unserem Auto.
In Deutschland soll es dann verkauft werden.
Als die beiden vom Hof fuhren, drückte es mir schon einen ordentlichen Knödel in den Hals.
Das hatte sowas Endgültiges an sich.
Albern, aber dennoch war dieses Gefühl da. Bislang stand da immer noch ein Auto mit deutscher Nummer bei uns. Wir waren immer noch klar als „die Anderen“ zu erkennen. Der kleine Dacia fährt schon seit 23. Dezember mit neuem Kennzeichen, der Fiat war immer noch deutsch.
Das letzte bisschen, das uns noch erkennbar abgrenzte, war dieses deutsche Nummernschild.
Jetzt haben wir alles, wirklich alles aufgegeben. Gut, das hatten wir schon am 15. September, doch irgendwie wurde mir das mit dem Wegfahren unseres Autos noch einmal so richtig bewusst.
Und es traf mich mit voller Wucht.
Wir fahren zwei Autos mit dänischen Kennzeichen. Wir haben ein Haus in einer beinahe bieder anmutenden dänischen Wohngegend gekauft, wir werden im Sommer genau wie unsere Nachbarn regelmäßig Rasen mähen (Nur die Norweger mähen noch fleißiger als Dänen und gegen die sind die Deutschen tatsächlich Rasenmäherluschen!), grillen, plaudern, in Dorffeste gehen und am Gemeinschaftsleben teilnehmen. Der Preußenbayer spielt nächstes Wochenende sein erstes Turnier in seinem Sportverein mit, die Zwillinge besuchen die Vuggestue, was alle Dänen sowieso durchweg wundervoll finden. Wir sind so dermaßen unauffällig, dass wir davon ausgehen können, dass wir von unseren Nachbarn mehr als nur „hingenommen“ werden. Morgen beginne ich mit den ersten Anschreiben, Rotfrau macht sich auf Arbeitssuche. Auch das ist hier absolut die Norm, denn reine Hausfrauen gibt es in Dänemark eher selten.
Dänen schätzen es nicht so, wenn man sich anders als die Masse verhält.
Wir sind mit dem Wunsch hier hergezogen, uns zu integrieren. Und zwar voll. Bereits jetzt sprechen uns viele Menschen überraschte Bewunderung für unsere Sprachkenntnisse aus.
Wir leben so, als wären wir schon immer Dänen gewesen.
Und doch hat es Rotfrau gestern aus der Bahn geworfen.
Mit dem Wegfahren des letzten bisschen „Deutsch“ wurde es noch einmal so richtig deutlich, dass wir unser ganzes bisheriges Leben aufgegeben zurückgelassen haben.
Familie.
Freunde.
Umfeld.
Gewohnheiten.
Gepflogenheiten.
Sicherheit.
Und doch sind wir glücklich. Wir sind angekommen. Endgültig.
4 Comments
Silberkopf
Mit „Gruselig“ verbinde ich immer noch den Abschiedstag.
Noch einmal, mitten im Umzugschaos (mit Porzellantochter, wie du sie nennst) zum letzen Mal mit den Kleinen gespielt und geknuddelt, Kaffee gekocht für Umzugshelfer, gestaubsaugt mit einem oder zwei Zwillingen als Hilfe und jede Sekunde dem fürchterlichen Moment des Abschieds entgegengesehen.
Wenn ich zurückdenke, war das einer der grauenvollsten Tage meines Lebens. Obwohl ich euch echt von Herzen alles Glück der Erde im neuen Land gewünscht habe.
Porzellantochter und ich sind dann relativ schnell geflüchtet, sonst hätte ich das nicht ertragen. Kurze Umarmung und weg !
Aber jetzt seid ihr angekommen…und alles wird gut…
Ihr kommt im Frühling zu Besuch und unser Ferienhaus für den Sommer in eurer Nähe ist gebucht !
meermond
Dieser Tag war mein schlimmster!
🙁
NachtischFee
Ich hoffe die Freunde sind nicht aufgegeben.
meermond
Liebe NachtischFee, wenn du meine Freunde kennen würdest, würdest du sie ebenfalls niemalsgarnienicht aufgeben oder gar vergessen können:-)
Ich sollte das Wort „aufgegeben“ vielleicht austauschen! Zurückgelassen?