dänische Kultur,  Traditionen

Husflid in Dänemark – wo Tradition und Moderne sich vereinen

Du bist im Dänemarkurlaub bestimmt schon einmal in kleinen Ausstellungen oder auf Festen gewesen, wo du einen Blick auf alte Maschinen, traditionelle Bekleidung oder alte Hauseinrichtung werfen konntest. Vielleicht hast du dort auch lebhaft plaudernden Dänen dabei zugesehen, wie sie eine alte Handwerkskunst ausübten?

Es erscheint mir, als würden Dänen auch außerhalb von Museen stolz auf ihre Vergangenheit sein. Sie erzählen gerne über in Vergessenheit geratene oder geschichtlich überholte Techniken. Und es ist noch schöner, dass sie immer wieder dazu einladen, sich dazuzugesellen oder mitzumachen. So habe ich schon Seile gedreht, Pfeile gebaut, Klöppel verheddert, Wolle gekämmt, Kräuterbeutel geschnürt, Steine mit Sand poliert und viel mehr.

Ich im Plausch beim Seile drehen.

Schon oft wurde mir erzählt, dass man durch das aktive Einladen dazu beitragen möchte, handwerkliches Können lebendig zu halten. Genau wie überall sind auch in Dänemark viele traditionelle Techniken durch Industrialisierung und Mechanisierung zu einem Hobby verkümmert. Das ständige Werben um Interessierte wird zunehmend wichtiger, obwohl es eigentlich jedem klar sein dürfte, dass man von Menschen besser als von Smartphones lernen kann.

Die Frauen wollen die komplette Geschichte Dänemarks auf einem langen Stoffband verewigen. Sie sticken bereits mehrere Jahre. Links im Foto sieht man ein Exemplar der traditionellen Strohschuhe aus dem Vildmose in Nordjütland.

Husflid

Die eigentliche Übersetzung des dänischen Begriffs husflid lautet Handarbeit. Doch darunter verstehen Deutsche vielleicht etwas anderes als Dänen. Unter der 1873 gegründeten und 2014 in Konkurs gegangenen Dansk Husflidsselskab gründeten sich zahlreiche Vereinigungen, die man bis heute nur als husflid bezeichnet. Diese Vereine dienen dazu, sich handwerklich weiterzubilden, gemeinsam zu arbeiten und es hyggelig zu haben.

Vereinsmitglieder der ➡ Uggerby husflid erzählten mir, dass es ab dem 14. Jahrhundert auf dem Land üblich gewesen sei, junge Männer und Mädchen nach der Konfirmation in den Dienst als Magd oder als Knecht hinaus zu schicken.

Ude at tjene!

Lange Tage, harte Arbeit und geringer Lohn prägten das Leben der Dänen. Auf dem Land war daher üblich, sich die Maschinen und das Wissen zu teilen. Mit der zunehmenden Industrialisierung verwandelte sich husflid zu einer sinnvollen Beschäftigung in der Freizeit. Und das ist es bis heute.

Gemeinsam lernen und kreativ sein

Husflid sind Vereine, in denen verschiedene handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt, aber auch gelehrt werden. Wie in den gestalterischen Angeboten bei einer deutschen VHS kann man sich zu Kursen anmelden, in denen man verschiedene Techniken erlernen bzw. erweitern kann. Doch husflid ist weit mehr als das. Es sind Vereine, die Veranstaltungen und Feste bereichern, ihr Können vorstellen und ihre Werke zum Verkauf anbieten. Husflid ist ein wichtiges Kulturgut in Dänemark, erhalten sie einerseits altes Handwerk, andererseits bieten sie Raum für zeitgemäße Kunst- und Freizeitgestaltung.

Læring og kreativitet i fællesskab!

Gemeinsam kreativ zu sein und zu lernen, das ist das Anliegen von husflid. Dazu eingeladen sind nicht nur Alt und Jung. Interessierte Besucher sind gerne gesehen.

Zu erlernen gibt es viel. Von Wolle über Holz bis hin zu Metallen wird einfach alles in wundervolle Kunstwerke oder Gegenstände verwandelt. Wer lieber malen oder Skulpturen erstellen möchte, ist in einem husflid ebenfalls gut aufgehoben.

Gedrechselte Gegenstände

Webstuhl und Spinnrad

Auf jeden Fall hat es mir großen Spaß gemacht, hinter die Kulissen des Uggerby husflid sehen zu dürfen. Einmal selbst ausprobieren zu dürfen, wie hart man arbeiten muss(te), um Wolle zum Stricken herzustellen, hat mich sehr beeindruckt.

Wolle kämmen ist anstrengend!

Wenn du bei deinem nächsten Urlaub wieder historische Feste oder handwerkliche Veranstaltungen besuchst, unterhalte dich doch mal mit den Ausstellern! Viele Dänen sprechen ein solides Deutsch und ein noch besseres Englisch. Und über ihr Hobby sprechen sie sehr gerne. Erlebe echten hyggesnak, der ebenfalls Teil der dänischen Kultur ist!

Viel Spaß wünscht

Mehr über dänisches Kulturgut findest du in meinen Lesetipps:

Freiwilligenarbeit und Genbrugshäuser:

Bjergelaug und Schiffbruch:

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

3 Comments

  • Alexander

    Huch, dein Kommentar ist irgendwie untergegangen! Tut uns sehr leid! Wollflies freiwillig zu verarbeiten ist wirklich ein abendfüllendes Hobby. Wir haben dazu auch keine Zeit und finden es schön, auf den Märkten usw. in die alten Handarbeitskünste oder bei husflid reinschnuppern zu können. Ich vermisse solche Veranstaltungen. LG Marion, die sich gerade Alexanders Computer unter den Nagel gerissen hat. Hehe…

  • Stella, oh, Stella

    Das mit dem selber probieren finde ich toll, dann bekommt man gleich ein ganz anderes Verhältnis zu dem Handwerk. Meine Tante hat das früher gemacht, die hat ein Wollflies gekauft und dann gewaschen, gekämmt, gesponnen, gefärbt (mit natürlichen Farbmitteln und Essig als Fixierer) und gestrickt/gehäkelt. Ich fand das toll, aber ich muss gestehen, dass mir das doch zu aufwendig war. Hoffen wir, dass wir solche Veranstaltungen bald wieder erleben dürfen.

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