Schule und Hygge – geht das?
Die Schlange vor dem Keller ist lang. Ich wünschte, ich könnte meine Ohren nach innen klappen, denn es ist extrem laut. Unzählige Kinder plappern wild durcheinander und prahlen mit ihren Leistungen.
„Ich habe es wieder zurück geschafft!“
„Ich geh gleich nochmal.“
Die weiß geschminkte Hexe an der Eintrittstür zum spøgelseskælder (Spukkeller) lächelt breit und unterhält sich fröhlich mit der aufgeregten Kindermenge, die sich geduldig in einer Reihe aufgestellt hat.
Plötzlich wird es still. Es schlägt von innen an die Tür.
In meiner Hand zuckt die kleine Hand meines Jungen. Ich drücke sie.
Die geduldige Hexe grinst jetzt noch breiter und zeigt auf ihren eingekeilten, rosa Turnschuh, der das Öffnen von Innen unmöglich macht. Erst als lautes Kreischen hinter der Tür zu hören ist, macht sie selbige auf und eine kleine Gruppe fröhlich quietschender Kinder rennt auf den Schulflur.
„Hvor uhyggelig!“ (Wie unheimlich!)
„Sejt!“ (cool)
Eine weitere Kindergruppe traut sich nervös kichernd die Kellertreppe zum „uhyggeligen pedel“ (der unheimliche Hausmeister) hinunter. Die Hexe schließt breit grinsend die Tür und ich bezahle unseren Eintrittspreis. Wir sind die nächsten.
Das u/hyggelige Schulfest
Gestern waren wir mit den Zwillingen beim Herbstfest in der Schule. Die Kleinen besuchen die ➡ 0. Klasse einer örtlichen folkeskole. Diese Vorklasse wird auch børnehaveklasse (Kindergartenklasse) genannt und trägt dazu bei, den Einstieg in die Schule zu erleichtern.
Mit Erreichen des fünften Lebensjahrs sind Kinder nach festgestellter Eignung in Dänemark unterrichtspflichtig. Ob man sie dann auch an eine Schule schickt oder ob man sich selbst um deren Unterricht kümmert, bleibt den Eltern überlassen. Wir haben uns für eine folkeskole und die 0. Klasse entschieden.
Beim gestrigen Fest wurde der Herbst und all das, was dazu gehört, noch einmal groß gefeiert. Die ganze Schulfamilie verbrachte einen wirklich hyggeligen Abend miteinander. Überall waren Basteleien aus Blättern, Bucheckern und reichlich Halloweengrusel ausgestellt. Und darum musste es neben Gesichtsmalerei und Diskothekenzimmern auch laut schepperndes Lehrerabwerfen und eine uhyggelige Mutprobe beim unheimlichen Hausmeister im Keller geben.
Fællesspisning – gemeinsam essen
Kein Schulfest ist perfekt ohne vorangehendes fællesspisning.
Ich habe schon mehrmals erzählt, dass auch bei großen Veranstaltungen ➡ ein gemeinsames Essen im Vordergrund steht.
„Wir Dänen sind weltberühmt für unsere Hygge. Man fühlt sich geborgen und richtig wohl, wenn man zusammen mit Familie und Freunden essen kann.“ Wer sich vorher nicht kannte, der kennt sich spätestens nach einem solchen fællesspisning.
Beim gemeinsamen Essen pflegt man die dänische Hygge!
Dänen essen nämlich wirklich gerne und sie lassen sich auch Zeit dafür. Und der Hyggesnak, ein gesellig fröhliches Plaudern, gehört einfach dazu!
Pünktlich wie immer – wer glaubt, dass die Deutschen es damit sehr genau nehmen, der war noch nie auf einer dänischen Veranstaltung! – waren Eltern und Kinder um halb sechs im Klassenzimmer. Nach einer Begrüßung durch die Klassenlehrer setzten sich alle an die Tische. Erst aßen die Kinder und dann im Anschluss die Eltern. Und letzteres Beisammensein war wirklich hyggelig und dauerte über zwei Stunden. Die Kinder liefen im Schulhaus herum und wir Eltern plauderten im Klassenzimmer.
Nur ab und an musste die eine oder andere, kleine Hand begleitet werden. Schließlich gehört zu einem hyggeligen Schulfest ein uhyggeliger Gruselmeister!
Juleklip
Nach dem Fest durften wir Eltern die herbstlichen Basteleien unserer Sprösslinge mit nach Hause nehmen. Die Wände und Fenster müssen jetzt nämlich geleert werden.
Schließlich ist schon bald Zeit für ➡ juleklip (Achtung: der Link ist lustig, erklärt aber wirklich das Weihnachtsbasteln) Da treffen wir uns dann wieder zu Glühwein und viel Tonpapier. Es wird gemeinsam gebastelt, geklebt und dekoriert. Das Schulhaus muss hyggelig aussehen, wenn der Advent beginnt.
Einen ganzen Schultag lang sitzen Eltern und Kinder gemeinsam im Klassenzimmer und schneiden und falten ➡ Weihnachtsdekoration. Immer wieder fährt ein Wagen mit æbleskiver und warmen Köstlichkeiten von Klassenzimmer zu Klassenzimmer. Ab und an wird gemeinsam gesungen und alle freuen sich auf die kommende Weihnachtszeit.
Hvor hyggelig doch die Schule ist!
3 Comments
Pingback:
Jutta
Liebe Meermond, es macht wie immer große Freude, deinen Blog zu lesen. Heute fällt mir nebenbei auf, dass es artverwandte Worte zwischen dänischer und deutscher Sprache gibt. So entdecke ich immer etwas Neues. Dieses Zusammensein in der Schule macht auch beim Lesen Spaß. Hab noch einen schönen November, auch wenn du ihn nicht so magst. Viele Grüße von Jutta.
Stella, oh, Stella
Ja, da sind sie gross drin, die Dänen … 😉