dänische Kultur

Winterbad und Eisschwimmen- in der Kälte liegt deine Kraft!

Ganz langsam zieht sich der dünne, alte Mann aus. Er hat keine Eile und dass ich in seine Richtung gehe, scheint ihm egal zu sein. Etwas unsicher gehe ich weiter. Meine Hand fährt automatisch an den Hals und stopft den dicken Schal noch einmal ordentlich fest. Ein Blick nach unten. Eisigkalte Wellen umspielen meine gefütterten Gummistiefel. Alles gut, ich bin perfekt angezogen. Der Alte schreitet inzwischen komplett nackt und in verstörender Nähe an mir vorbei. Ohne zu zucken marschiert er in die kalte Ostsee. Immer weiter ins eisige Wasser, bis nur noch sein Kopf zu sehen ist. Ich erschaudere und beschleunige meine Schritte. Dann geht er genauso bedächtig wieder heraus und greift zum Handtuch. Er bleibt ruhig stehen und blickt mir direkt ins Gesicht. Ich gehe frierend an ihm vorbei.

Als ich zurück ins Ferienhaus komme, setze ich mich so nah wie möglich an den behaglich flackernden Schwedenofen. Schon die Erinnerung an das eben Gesehene jagt mir Gänesehaut über den ganzen Körper. „Stellt euch mal vor, da ist einer im Meer Schwimmen gewesen!“, platzt es aus mir heraus. Es ist das Jahr 2003 und ich verbringe meinen ersten Winterurlaub in Dänemark.

Inzwischen habe ich schon viele Menschen im winterlichen Meer schwimmen sehen. Meist in Badekleidung, doch ab und an treffe ich auch auf Nackte, die der Kälte trotzen. Es wundert mich jetzt aber nicht mehr. Im Winter im Meer zu baden ist eine Tradition, die erstaunlich viele Dänen pflegen. Es gibt sogar Vereine und feste Veranstaltungen dafür.

Neujahrsschwimmen in Blåvand (Foto: B. Rentz)

Kalte Nasen und Eisbrecher

Hier in Nordjylland gibt es mehrere Eisschwimmervereine. Deren teilweise witzige Namen sind genauso einladend wie ihre Saunen, die sie in unmittelbarer Nähe oder auch direkt auf dem Strand betreiben. Meist bieten sie eine Aussicht auf das Meer. Es macht Laune, den dampfenden Menschen der „Blauen Nasen“ oder der „Eisbrecher“ auf ihrem Weg ins Wasser zuzusehen. Nicht wenige dieser Badevereine* bieten ein kostenloses Testbad mit einem netten Hyggesnak in ihren Saunen an.

Die Saunatonne von Løkken kannst du auch buchen.

Zum Jahreswechsel laden mehrere Orte zu einem großen Badefestival ein. Es ist so lustig, wenn teilweise Hunderte von Menschen gackernd und kreischend ins Meer und noch schneller wieder herausrennen. Wer es einrichten kann, der sollte so ein Event mal besuchen. Die größeren Veranstaltungen sind das Neujahrsbad in Blåvand, das Vinterbadefest in Nr. Vorupør oder das Skagen Vinterbadefest. Die Veranstalter bieten Warmwasserbecken, warme Getränke und noch viel mehr Hygge an. Ein großer Spaß!

Warum im eisigen Wasser baden?

Ein regelmäßiges Bad im Kalten trägt offenbar dazu bei, die Abwehrkräfte zu stärken. Studien zufolge sind Winterbader seltener krank und fühlen sich insgesamt wohler in ihrer Haut. Im kalten Wasser aktiviert der Körper eine Reihe an Stresshormonen, die wiederum das Immunsystem aktivieren. Es wird vermutet, dass Eisschwimmer eine Vorsorge gegen Diabetes Typ II betreiben und ihr Herz stärken.

Auf jeden Fall ist das Gefühl, das man nach einem Winterbad hat, hervorragend! Der Körper kribbelt und der Kopf schwirrt vor Glück. Ich selbst bin zwar nur kurz im eiskalten Meer herumgelaufen, kann das aber bestätigen. Kein Wunder also, dass inzwischen immer mehr Menschen ins Eiswasser tauchen. Auf Skandinavien.live siehst du mutige Eisschwimmer (oder eben Im-Wasser-Herumhüpfer ?) in Aktion. Sehr lesenswert ist der Blogbeitrag von Kati aus Finnland, den ich unten als Lesetipp verlinke.

Strand in Dänemark

So wirst du zum Eisschwimmer

Eine gewisse Vorbereitung trägt maßgeblich dazu bei, dass das Winterbad zu einem positiven Erlebnis wird. Suche idealerweise zu Beginn eine Badestelle aus, die von anderen Eisschwimmern empfohlen wird. Dann gilt es nur noch herauszufinden, ob du lieber bei abfallendem Untergrund in das Wasser gehen möchtest oder von einem Steg mit Geländer ins Gewässer eintauchen möchtest. Beginne eventuell bereits im Sommer damit, regelmäßig im kühlen Wasser zu schwimmen und bleibe auch den Herbst hindurch dabei. So gewöhnst du deinen Körper zunehmend an die Kälte. Du kannst aber auch gleich jetzt damit beginnen.

Hier ein paar gute Ratschläge:

  • Zuerst ist natürlich warme Kleidung wichtig. Dicke Socken und vielleicht auch warme Skiunterbekleidung. Idealerweise sollte es schnell und einfach gehen, sich aus- und anzuziehen. Ist der Körper erst einmal abgekühlt, ist es alles andere als angenehm, an umständlichen Knöpfen und Verschlüssen herumfummeln zu müssen.
  • Wärme deine Muskeln vor dem Bad auf, zum Beispiel durch ein kleines Lauftraining.
  • Vielleicht möchtest du etwas Warmes zum Trinken einpacken? Es fühlt sich gut an, das Prickeln nach dem Bad im Körper zu spüren und sich mit einem warmen Tee zu verwöhnen.
  • Bring eine Matte oder ein dickes Extrahandtuch mit! Wenn du auf einem warmen Untergrund stehen kannst, gelingt es dir leichter, mit dem Winterbad zu beginnen. Schließlich soll der Körper nicht schon auskühlen, bevor er überhaupt im Wasser gewesen ist. Einige Eisschwimmer tragen deswegen auch Neoprenschuhe.
  • Beim Winterbaden empfiehlt es sich, eine Begleitperson dabeizuhaben. Schließlich reagiert jeder Körper anders auf den extremen Temperaturabfall. Bei Herz- oder Gefäßproblemen kann ein Eisbad sogar gefährlich sein.
  • Versuche, möglichst ruhig und tief zu atmen und bewege dich langsam und konzentriert. Das erfordert einige Übung, denn schließlich neigen viele dazu, die Luft anzuhalten oder gar zu hyperventilieren, kommen sie mit kaltem Wasser in Berührung. Beim Eisschwimmen ist bewusstes Atmen wichtig, um Schwindel und damit ein Ertrinken zu vermeiden.
  • Bleib nicht zu lange im Wasser und bewege dich möglichst ruhig darin! Selbst wenige Sekunden reichen beim ersten Bad vollkommen. Mit mehr Praxis kannst du die Dauer verlängern, die meisten vinterbadere tauchen zwischen 20 und 40 Sekunden ein.
  • Der Kopf muss stets über der Wasseroberfläche sein. Ist der Körper im kalten Wasser, ziehen sich die Blutgefäße zusammen, um die Wärme möglichst zu behalten. Die Gefäße im Kopf tun das aber nicht und so kann man sich schnell unterkühlen. Vermeide daher auch nasse Haare! (Gode råd til sikker vinterbadning)
  • Übung macht den Meister. Je öfter du dich ins Kalte traust, umso mehr wirst du es genießen.

Bleib gesund,

Weitere Info und Lesetipp:

* Liste mit Winterbadeclubs in Dänemark

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

7 Comments

  • Stella, oh, Stella

    Bei uns im Økssø machen die das auch und im Nordhavn von Kopenhagen war auch so ein Klub. Ich denke, dass das nackte Baden die ursprüngliche Form des Winterbadens war. Irgendjemand hat mal zu mir gesagt, dass es sich viel kälter anfühlt, wenn man Stoff auf der Haut hat. Ich kann das natürlich gar nicht beurteilen, denn mich bekommen keine 100 Pferde im Winter in irgendwelches Aussengewässer.

    Das mit dem weniger krank sein bestätigte mir eine Kollegin, die so einem Verein beitrat. Sie sagte, wenn man im Sommer anfängt mit dem Baden – jeden Morgen ganz kurz – dann gewöhnt man sich langsam an die fallenden Termperaturen. (Schnatter, Zähneklapper)

    • Meermond

      Klapperklapper. Irgendwie macht das Sinn, dass Kleidung im Winterbad unangenehm ist. Aber dann brauche ich ja noch mehr Mut! Nackig ins Eismeer? Das schaffe ich niemals. ?

  • Paulalinchen

    Bei uns machen das auch noch viele. Grade die „Alten“ fahren vom Dorf eine halbe Stunde mit Fahrrad durch die Dünen an den Strand, baden, und fahren wieder nach Hause. Außer, es ist Sturm, dann geht niemand (mit Verstand) in die Nordsee, zu gefährlich die Strömungen.
    Aber, darum sind die Alten (und das meine ich in kleinster Weise abwertend!) auch so fit.
    Respekt. Ich halte beim Neujahrsbaden Familie & Freunden die Handtücher. Das langt mir ?

    • Meermond

      Ich beneide diese Menschen. Und es erscheint mir wirklich so, dass sie zäher sind, als ich es jetzt bin. Vielleicht traue ich mich ja doch irgendwann, regelmäßig einzutauchen ?
      Liebe Grüße

  • Claus Hübner

    ? Brrr. Das ist nichts mehr für mich, zu kalt. Uns kam in einem Winter ein durchgeschwitzter Jogger am Strand entgegen. Kurz vor uns zieht auch er sich nackt aus und geht, wie du es beschreibst, ins Meer. Wir haben wirklich angefangen mitzufrieren. Aber nicht schön fanden wir, dass der Mann sich nach dem Bad nicht abgetrocknet hat und wieder die durchgeschwitzten Klamotten angezogen hat und weiter lief. Aber was solls, wenn es schön und gesund macht… Jeder wie es ihm beliebt. Aber es muss schon was spassiges dran sein, sonst würden es nicht immer mehr Leute machen und richtige Events entstehen.

    • Meermond

      Es werden wirklich immer mehr, die das machen. Auch in Deutschland. Ich habe es aus Neugierde ausprobiert, bin mir aber nicht sicher, ob ich den ganzen Körper unter Wasser bekommen würde. Das Wasser reichte bis an die Knie und ich bekam regelrecht Schnappatmung. Wow, war das kalt und jede Welle erschien mir kälter als die vorherige …
      Aber das Glücksgefühl, das sich nach dem Abtrocknen in mir ausgebreitet hat, war unglaublich! Es fühlte sich an, als schüttete mein Körper pures Glück über mir aus. Vielleicht traue ich mich ja doch noch mal? Wer weiß.

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