Ich als Mama,  Leben in Dänemark

Wunderbare Pubertät!

Der große Preußenbayer ist zum muffelnden Pubertier mutiert:

Seit Monaten verkriecht er sich in seinem Zimmer und will eigentlich meist ausschließlich seine Ruhe haben. Er ist zu nichts zu motivieren und auf unsere familiäre Gesellschaft legt er seit mehreren Wochen überhaupt keinen Wert. Nun gut, ich erinnere mich, dass ich meine Familie in seinem Alter auch nicht wirklich leiden konnte, aber als seine Mama ist es ein komisches Gefühl, derart zurückgewiesen zu werden.

Mein Pubertier macht es mir nicht immer leicht, seine anders gewordenen Handlungen immer gelassen hinzunehmen. Dennoch vermeide ich es tunlichst, ihm schrille Kreischszenen darzubieten, wie meine eigene Mutter es stets zu tun pflegt/e, wenn Kind „anders tut“.

Zugegeben, ich bin arg genervt und häufig richtig grantig auf meinen Großen, aber zumeist ist es lediglich die große Sorge um ihn, die mich überhaupt erst grantig werden lässt!

Dass er zu faul ist, um weiter ins Training zu gehen, treibt mich schier in den Wahnsinn. Er braucht doch Bewegung und soziale Kontakte! Als Mama fürchte ich mich vor seiner eventuellen Vereinsamung.

Dass er sich so überhaupt gar nicht mit der neuen Sprache beschäftigen mag. Er sieht uns tiefenentspannt beim Lernen zu, gibt aber keinen Ton von sich. Wie soll er denn in Dänemark zurecht kommen, wenn er die Sprache nicht lernt? Nächstes Schuljahr muss er doch in der Abschlussprüfung im Fach Dänisch mindestens eine Vier bekommen, um die Erlaubnis für das Gymnasium zu bekommen! Von dort kommt er und da will er nach eigener Aussage auch gerne wieder hin! Aber wie denn, wenn er so gar keinen Fleiß an den Tag legt? Was ist, wenn er es nicht schafft? Was macht er dann nur? Wie kann ich ihm bloß helfen, wenn er mich doch nicht lässt? Habe ich meinem Kind unüberwindbare Steine in den Weg gelegt, die er niemals aus dem Weg räumen kann? Warum wacht er nicht endlich aus seiner Lethargie auf?

Seit Wochen habe ich regelrechte Magenschmerzen, wenn ich an die Zukunft meines Erstgeborenen denke. Nach dem nächsten Schuljahr endet die Folkeskole. Danach müssen die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Gut, die Ärztin hat uns vor zwei Wochen ausführlich aufgeklärt und unsere Ängste deutlich mindern können. Sie habe das ganze System beim ersten Kind auch nicht so ganz durchschaut, könne uns aber jetzt damit beruhigen, dass man hier viel flexibler sei und weniger endgültig wählen müsse, als es auf den ersten Blick scheine. Wir atmeten beide erleichtert auf.

Aber trotzdem. Die Sprache ist und bleibt das Fundament einer soliden Ausbildung.

„Bitte, mein Sohn, streng dich mal ein bisschen an!“

Am Ende der achten Klasse legen die Schüler eine Art Testprüfung ab. So werden sie schon eingestimmt auf das, was in der neunten Klasse kommt. Preußenbayer muss Prüfungen in Dänisch, Mathe und – sehr witzig – in Deutsch machen.

Ich schlug ihm also vor, diesen Vorlauf etwas ernster zu nehmen, um sich selbst ein bisschen besser einschätzen zu können. Er versprach, die Dänischprüfung mit mehr Engagement vorzubereiten.

Das war vor zwei Wochen. Dazwischen liegen gefühlte 1000 Rückzugsstunden mit Youtupp und Icks-Box.

Heute kommt er zu mir ins Wohnzimmer und erzählt mir, er habe eine Novelle erhalten, über welche er in der Prüfung eine analytische Arbeit schreiben und über sie sprechen müsse. Ich fragte ihn, ob er denn wisse, worum es im Text gehe und bot ihm erneut meine Hilfe an. Er fasste den Inhalt der Geschichte zusammen.

Ich freute mich so sehr! Er kann also inzwischen dänische Texte verstehen!

„Was würdest du denn davon halten, wenn wir beide versuchen, das Ganze auf Dänisch zu übersetzen?“

Da fängt mein Pubertier auf einmal an, in flüssigem Dänisch zu sprechen.

Er erzählt mir die Geschichte auf Dänisch nach!!!

Und der Bub ist nicht mal schlecht!

Ich guckte überrascht und überwältigt in seine großen, grünen Augen (das einzige, was ihn anders als seinen Papa aussehen lässt) und kämpfte arg damit, in Tränen auszubrechen. Wortlos umarmte ich ihn und küsste ihn auf die Wange.

„Vertrau mir, Mama!“

Wie konnte ich das nur jemals vergessen?

Teilen:

Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

13 Comments

Kommentar verfassen