Nordjütland

Wunderbarer Wandel der Westküste

Zehn Jahre ist es her, dass Alexander zum ersten Mal staunend an Nordjütlands Küste stand und überwältigt auf den Auslöser seiner Kamera drückte. Er fotografierte den Sonnenaufgang. Er knipste den Sonnenuntergang. Immer wieder. Aus diesem ersten Urlaub in Dänemark brachte er stolze 629 Bilder von Nordseewellen mit! Inzwischen sorgt ein gesonderter Netzwerkspeicher in unserem Haus dafür, die auf Terabytes angewachsene Bilderflut sicher zu verwahren. Darin zu wühlen ist ein abendfüllendes Programm und macht uns wesentlich mehr Freude als jede Fernsehsendung.

Wir vergleichen, erinnern und entdecken Details wieder, die schon längst in Vergessenheit geraten waren. Blättern wir in unseren Erinnerungen, stellen wir mehr als einmal fest, dass tatsächlich nichts so beständig ist wie der Wandel. Gerade hier an der Westküste Nordjütlands haben sich viele Dinge in unglaublicher Weise verändert: wir, unser Leben und auch unsere Umgebung.

Die Zeit verwandelt nicht, sie entfaltet!

Am deutlichsten sehen wir die Veränderungen an uns selbst. Aus dem kleinen Jungen, der 2010 noch dem harschen Westwind entgegenmurrte, ist inzwischen ein aufgeschlossener Student in Aarhus geworden. Wenn er sich mit seinen Mitbewohnern unterhält, verstehen wir oft nur noch Bahnhof. Er spricht dialektgefärbtes Dänisch und trägt ab 5° C ausschließlich T-Shirts und kurze Hosen.

Vom mürrischen Bayer zum wetterfesten Skandinavier

Aus den Kleinkindern, die seit September 2014 den Strand von Løkken als heimischen Sandkasten genießen, sind lebhafte Jungs geworden. Sie wachsen als Dänen mit Bairisch als zweiter Fremdsprache auf und bewegen sich souverän zwischen dänischer und deutscher Kultur.

Am Meer groß geworden

Während man die Zeit an den Kindern auf einen Blick ablesen kann, ist es bei Alexander und mir nicht ganz so einfach. Wir sind irgendwie gleich. Und doch wieder nicht.

Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang.

Ich trage zum Beispiel noch immer den selben schwarzen Mantel, die geschnürten Gummistiefel (2010 in Hirtshals gekauft) und bekämpfe den Zahn der Zeit mit den Waffen der Kosmetikindustrie. Doch inzwischen denke nicht nur ich in vielen Punkten anders als früher. Alexander und ich setzen andere Schwerpunkte im Leben. Wir bewerten viele Dinge und Ereignisse anders als früher.

Was auch immer Alexander sich während seiner ersten Fototouren in Dänemark gedacht haben mag, es war der Beginn einer großen Liebe zum Norden. Wüsste ich nicht explizit, dass das folgende Foto besagte zehn Jahre alt ist, könnte man es für einen Schnappschuss aus diesem Sommer halten:

Alexander am Meer – 2010 bis heute.

Das Auto gibt es nicht mehr und das R hat sich in eine in Dänemark üblichen Buchstaben- und Zahlenkombination verwandelt. Doch noch immer trifft man ihn in vergleichbarer Haltung, heute mit langem Pferdeschwanz, am Meer an.

Wunderbarer Wandel

Die Wellen des Meeres sind die gleichen. Das Meer atmet ein und aus wie seit dem Anbeginn der Zeit. Doch mit jedem dieser Atemzüge trägt es dazu bei, das Land zu verändern. Wir bemerken es nicht immer, leben wir Tag für Tag mit dem Wandel. In unserem Archiv stoßen wir regelmäßig auf Bilder, die man so nicht mehr machen kann. Entweder weil die Motive komplett verschwunden sind oder weil der Mensch sie inzwischen umgestaltet hat:

Blånæs und Furreby
Der Strand von Løkken wird zunehmend schmaler.
Mårup Kirke ist verschwunden.
Lønstrups Küste musste gesichert werden.
Der Leuchtturm steht heute an anderer Stelle.

Ich bin davon überzeugt, dass wir in zehn Jahren erneut in unserem Archiv blättern und staunen werden. Vielleicht über die Welt, in der wir leben. Oder über ein Leben, das wieder ganz anders geworden ist. Wir werden uns freuen, uns erinnern, uns wundern, vergleichen und hinterfragen.

Und obwohl Alexander und ich dann vermutlich alleine wohnen werden, freue ich mich auch darauf. Wer weiß schon, welche Geschichten wir bis dahin erlebt haben werden! Aber es werden unsere eigenen sein und von steten Veränderungen erzählen. Denn wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.

In diesem Sinne

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

13 Comments

  • Christiane

    Vielen Dank für diese schöne „Dokumentation“ des Wandels. Wir verfolgen diesen seit unserem ersten Dänemark-Urlaub in Nordjütland in 1992 und kennen den bekannten Fyr noch mit betriebenem Café in einem der angrenzenden Gebäude und der sich damals noch davor auftürmenden riesigen Düne. Auf Fotos und in unserer Erinnerung sehen wir den breiten Strand von Grønhøj bis Løkken, der sich immer mehr verliert. Beim ersten Besuch noch ganz ohne Anhang, dann mit Eltern- diese neugierig gemacht durch unser Schwärmen- später mit Kindern und Oma und Opa, dann leider irgendwann ohne Oma und Opa,wieder allein und heute auch immer mal wieder mit den mittlerweile „erwachsenen“ Kindern die gerne mit uns gemeinsam in Erinnerungen schwelgen. Mindestens einmal im Jahr muss es nach wie vor nach Dänemark gehen, die Urlaube im Süden waren schön, aber wichtig war und ist bis heute das hyggelige Dänemark.
    Ja, der Wandel…. entweder es kommt uns nur so vor, weil wir nun selbst nicht mehr so ganz taufrisch sind und wir das Gefühl haben, dass die Zeit immer schneller rennt?, oder es ist tatsächlich so, dass sich der Wandel in den letzten Jahren immer schneller vollzieht. Ein wenig Wehmut ist beim Betrachten der Fotos dabei, aber wir hoffen, dass wir noch lange und häufig die Veränderungen verfolgen können. Nochmals danke für diesen tollen Beitrag. Alles Gute für euch im hohen Norden und liebe Grüße an das geliebte Land.

    • Meermond

      Ich danke dir für deine Worte, liebe Christiane. Ich finde es schön, wenn wir einen Beitrag dazu leisten konnten, dass du in schönen Erinnerungen schwelgen kannst! Ganz herzliche Grüße zurück!

  • Angela

    Ein schöner Beitrag! So persönlich geschrieben und doch findet man sich darin selbst wieder. Das Lesen hat Spaß gemacht und die „Zeitschiebe“-Bilder sind klasse. Da hast du mich auf eine gute Idee für ein Weihnachtsgeschenk für meine großen Jungs gebracht.?

  • Marlies Wolf

    Ja, es sind die Veränderungen, die mich immer wieder dort hin ziehen. Auch ich betrachte dann die Fotos aus verschiedenen Jahren und bin erstaunt über den Wandel der Landschaft. Manches ist traurig, so zum Beispiel die Geschichte der kleinen Marup Kirk. Ich sah sie 2007 zum ersten mal, noch in voller schönen Einfachheit und dann jedes Jahr wieder. Habe ihren Rückbau… Abbau…. erlebt…geblieben ist nur wenig davon. Die Natur holt sich vieles wieder, sie hat die Dinge geschaffen und holt sie sich zurück. Weiterleben wird alles in unseren vielen Fotos und in unseren Erinnerungen, geben wir es weiter, an die späteren Generationen.

  • Alexandra Hesse

    Nichts ist so beständig wie der Wandel. Gerade dort oben fällt uns immer richtig auf wie sehr sich zumindest die Landschaft verändert hat seit wir 2011 das erste Mal da waren. Danke für die schöne Gegenüberstellung.

    • Meermond

      Es hat mir selbst großé Freude gemacht, die Veränderung so sehen zu können. Denn die vielen kleinen Dinge, die sich fortlaufend verändern, bemerkt man im Alltag oft gar nicht! <3

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