Zwischen den Gräbern von Lindholm Høje

Wusstest du schon, dass so manche Eroberungsfahrten der Wikinger vom Limfjord aus gestartet wurden? Wusstest du, dass sich im Norden der Stadt Aalborg Dänemarks größtes Gräberfeld aus der Wikingerzeit befindet? Leider denken die meisten Menschen bei dem Begriff Wikinger sofort an Beutezüge und barbarische Krieger. Doch bei Lindholm Høje kann man dem nachspüren, was die Menschen der Wikingerzeit wirklich ausmachte und prägte. Dort erzählen die namenlosen Toten bis heute interessante Geschichten. Wenn ich zwischen den Steinsetzungen umhergehe, möchte ich mich nicht unterhalten. Ich möchte meine Sinne dazu nutzen, etwas zu hören, was man akustisch nicht wahrnehmen kann. In meinem Kopf entstehen eigene Erzählungen. Versuche es gerne einmal selbst, bevor du weiterliest: Das Gräberfeld Lindholm Høje Das Gräberfeld Lindholm Høje stammt aus der jüngeren Eisen- und Wikingerzeit. Fast 600 Jahre lang wurden auf dem Hügel nördlich des Limfords Tote beigesetzt. Um das Jahr 1100 begrub Flugsand das Gräberfeld unter sich, sodass es aufgegeben werden musste. Unter dem Sand erhielt sich eines der schönsten Denkmäler der Wikingerzeit. Als man es schließlich in den 1950er Jahren ausgrub, stieß man auf sehr gut bewahrte Steinsetzungen, zwischen denen man heute frei herumgehen darf. Die ältesten Gräber stammen aus dem 5. Jahrhundert und befinden sich an der höchsten Stelle des Gräberfeldes. Zu dieser Zeit begrub man die Toten noch unter Erdhügeln und setzte nur selten Steine. Je weiter man den Hügel hinabgeht, umso jünger sind die Gräber. Die dort Bestatteten wurden jedoch meistens verbrannt und mit verschiedenen Grabbeigaben in einem Grab beigesetzt, das durch Steine markiert ist. Männer liegen meist unter schiffförmigen oder dreieckigen Steinformationen begraben, Frauen unter runden oder ovalen. Insgesamt zählt man auf Lindholm Høje 682 Gräber und 150 Schiffformationen. Die Menschen von Lindholm Høje Bei der Ausgrabung des Gräberfelds stieß man auf die Reste eines Dorfs. Man fand Häuser, Brunnen und Pflugspuren. Der sandige Boden war leicht zu bestellen, doch Stürme und starker Sandflug waren eine stete Bedrohung für die Ernte. Diesen Kampf mit den Naturkräften bezeugten Radspuren, die sich im Sand, welcher sich nach einem Sturm auf einen Acker gelegt hatte, erhalten hatten. Als die Menschen ihren Heimatort um 1100 herum schließlich verlassen mussten, hinterließen sie Belege dafür, dass sie weltweite Kontakte hatten. Die Archäologen entdeckten nämlich neben den einfachen und zu erwartenden Alltagsgegenständen, Waffen und Bronzeschmuckstücken auch arabische Silbermünzen, Bergkristalle, Glasscherben und Perlen aus Gold. Im Gräberfeld hat man die Reste eines Hauses aus dem 10. Jahrhundert markiert. Es hatte gebogene Längswände und wurde von außen, wie bei norwegischen Stabkirchen bis heute zu sehen, mit Pfosten gestützt. Zu der Zeit waren die Menschen bereits zum christlichen Glauben gewechselt. Man nutzte das Gräberfeld also nicht mehr, sondern begrub die Toten in geweihter Erde. Die Geschichten von Lindholm Die Gegend am Limfjord ist landschaftlich sehr lieblich. Die sanften Hügel und herrliche Ausblicke sind wunderschön anzusehen und locken jedes Jahr viele Menschen in die Region. Nicht wenige Urlauber bitten mich um Reisetipps. Schlage ich unter anderem Lindholm Høje vor, höre ich immer wieder, dass man das schon gesehen hätte. Zwischen den Zeilen höre ich da ein „Danke, aber das interessiert mich nicht mehr“ heraus. Doch ich lade hiermit explizit dazu ein, sich (mindestens) ein weiteres Mal nach Lindholm Høje zu begeben. Gerade jetzt im Herbst verändert sich die Stimmung auf dem Gräberfeld sehr. Versuch es doch mal selbst: Die Geschichten, die nach dem Sommer in meinem Kopf auftauchen, haben jene trügerische Leichtigkeit verloren, die ich an warmen Tagen zu fühlen versucht bin. Auf meinen sommerlichen Phantasiereisen sehe ich Bilder, wie ich sie in den belebten Wikingerdörfern vorgestellt bekomme: lächelnd spinnende Frauen in einfachen, doch sehr schönen Kleidern, herumtobende Kinder und auf glühendes Eisen einschlagende Männer. Dazu wird viel Met und noch mehr köstliches Essen gereicht. Das ist wirklich sehr schön und macht auch ein wenig sehnsüchtig nach dem Glück vergangener Tage. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten verschiebt sich das Bild. Lindholm erzählt mir von einem Leben, das gar nicht so leicht und noch weniger sorglos gewesen sein muss. Man lebte, um sich selbst zu versorgen. Und das war bei Weitem nicht so einfach wie heute. Kein Strom oder moderne Technik. Es war ein Kampf gegen die Gewalt der Natur und gegen die Grausamkeiten jener Zeit. Die Menschen wurden nicht so alt wie heute und viele Kinder erlebten das Erwachsenenalter nicht. Man starb, weil die Medizin eine andere war. Mit dem Gefühl großer Dankbarkeit steige ich immer wieder in mein bequemes Auto und fahre in mein komfortables und warmes Haus zurück. Tipps In das damalige Leben in Lindholm kann man im Lindholm Museum eintauchen. Mit moderner Technik und ansprechender Museumspädagogik entführt es seine Besucher in die Eisen- und Wikingerzeit. Hier erfährst du, was du in Aalborg unbedingt sehen solltest: