Der [dänische] Ernst des Lebens beginnt
Ich denke, viele Mamas und Papas da draußen können nachempfinden, wie man sich fühlt, wenn die lieben Kleinen eingeschult werden.
Als gestern am Frühstückstisch das Handy des wundervollen, großen, schwarzen Manns seinen Erinnerungsalarm bimmelte, war es schließlich soweit: Die Portale zur Anmeldung waren freigegeben.
Schuleinschreibung in Dänemark
Jede in Dänemark lebende Person hat die behördliche Registrierungsnummer CPR, unter der das komplette öffentliche Leben von der Krankenversicherung bis hin zur Einkommenssteuer organisiert ist.
Und eben darum läuft auch die Schuleinschreibung in Dänemark anders ab als in Deutschland:
Den wundervollen Preußenbayer musste ich derzeit persönlich zur Schule meiner Wahl mitbringen, welche ich mittels „Gastschulantrag“ rechtzeitig erbeten hatte. Im dortigen Sekretariat zeigte ich die Geburtsurkunde meines Kindes und meinen Personalausweis vor, um dann weitere Papiere auszufüllen. Im Anschluss daran wurden wir beide in ein anderes Zimmer gebeten, wo mein Junge eine ausreichende Hör- und Sehfähigkeit und seine kognitive Schuleignung beweisen musste.
Im kommenden August sollen unsere Zwillinge in eine dänische Folkeskole gehen.
Seit dem gestrigen 20. Januar ist es in unserer Kommune möglich, die (be)schulpflichtigen Kinder online in die Schule der Wahl einzutragen. Dazu haben wir von der Kommune schon vor drei Wochen einen Bescheid mit entsprechendem Link erhalten. Und wir werden wohl auch wieder via eboks darüber informiert werden, welcher Schule die Zwillinge letztendlich zugewiesen werden.
Es dauerte nur wenige Minuten für beide Kinder und ich war ganz froh, dass ich noch im Schlafanzug am Frühstückstisch gesessen hatte. Denn wie vermutlich alle Mamas war ich während dieses so entscheidenden Vorgangs emotional aufgewühlt. Und derartige mütterlichen Gefühlsausbrüche sind im Schlafanzug wesentlich angenehmer zu ertragen.
Meine winzigen Kinderchen sind doch eben erst so winzig gewesen!
Ja, winzig waren sie in der Tat einmal und sie sind immer noch die Kleinsten in ihrer Gruppe.
Doch sie sind tatsächlich schon richtige skolebørn geworden.
Skolebørn und børnehaven
Alle Kinder, die vor dem Januar ihren fünften Geburtstag hatten, dürfen – wenn keine anderen Gründe dagegen sprechen – im darauf folgenden August in die sogenannte børnehaveklasse gehen. Diese Klasse 0 verstehe ich inzwischen als eine Art Vorschule, die die Kinder auf die Schule vorbereitet. Zwischen 8 und 14 Uhr werden die Kleinen mit dem Schulalltag vertraut gemacht.
Vom Kinderzimmerfenster aus blicken wir auf eine Folkeskole, in der man ab August bestimmt nicht mehr gut von uns zu sprechen sein wird. Denn wir haben unsere Zwillinge an einer anderen Schule angemeldet und so wird es in unserer Nachbarschaft eben keine zwei børnehaveklassen geben, über welche sich die anwesenden Eltern so gefreut hatten, als sie mich am Informationsabend erblickten.
Im Vorfeld der Einschulung durften wir verschiedene Schulen besuchen, die über ihre Schwerpunkte in der 0. Klasse berichteten. Während die Nachbarschule sich fast ausnahmslos dem sozialen Miteinander widmet und die Schulanfänger unbedingt auf gleichem Level halten möchte, erlaubt die Schule unserer Wahl Individualität und Förderung in verschiedenen Bereichen.
Eines unserer Kinder kann nämlich schon lesen und erfasste durch ausdauerndes Grübeln bereits, dass 3 mal 3 logischerweise das Gleiche wie 6 plus 3 sein muss, weil 6 ja zwei mal 3 ist. Was soll der Kleine da den ganzen Tag in einem Sing- und Spielkreis, in dem „nur manchmal ein bisschen mit Mathe und Buchstaben gespielt wird“? Er ist ein schlaues Kerlchen, das lernen will, doch fühlt er sich auf der anderen Seite durch permanenten Gruppenzwang überfordert und braucht die Erlaubnis, sich auch mal eine Auszeit von der Gruppe nehmen zu dürfen.
Unser anderes Kind ist durch das Können seines Bruders so stark motiviert, dass es unbedingt ebenfalls lesen können will. Der Bub ist sehr ehrgeizig und würde wirklich darunter leiden, nicht auch kognitiv gefördert zu werden. Gleichzeitig mag er gerne mit anderen spielen und es wird ihm sicherlich großen Spaß machen, endlich ein richtiges Schulkind zu sein. Mit großer Begeisterung erzählt er mir nämlich immer von seiner Schule im Kindergarten.
Seit Oktober gehören die Zwillinge zu den lange ben [lange Beine] im Kindergarten, welche jeden Mittwoch Vormittag auf die Schule vorbereitet werden. Es ging bereits über Zahlen, Wochentage, Jahreszeiten und erste Lesevorbereitungen. Letzte Woche war ein Mann zu Besuch, der ihnen verschiedene Vögel und deren Lebensraum erklärte und nächsten Mittwoch kommt jemand vom Pendent des deutschen Bund Naturschutz. Am Freitag war wieder ein Yogakurs und Ende Januar steht die zweite von insgesamt drei Theaterfahrten an.
Ich freue mich sehr über die Abwechslung, die der Kindergarten unseren Zwillingen anbietet. Und ich gestehe, ich freue mich noch mehr, dass wir dafür nichts bezahlen müssen. Schulklassen und Kindergartengruppen dürfen die öffentlichen Verkehrsmittel unserer Region nämlich gratis benutzen.
Schön klingt das alles schon, nicht wahr?
Irgendwie.
Denn irgendwie stimmt es mich traurig.
Meine niedlichen, kleinen Babys sind schon so groß geworden.
Alle Gute, meine lieben Kinder, eure Mama
18 Comments
Pingback:
Sternenschimmer
Ein großer Schritt in die nächste Stufe des Lebens.
Nun werden sich viele Dinge ändern und es beginnt gewissermaßen der Ernst des Lebens.
Ich wünsche ALLES GUTE für den Start!
Lieben Gruß,
Lilo
Meermond
Das hast du genau auf den Punkt gebracht!
Ich danke dir und grüße herzlich zurück
Anna-Lena
Schule ist der erste Schritt, flügge zu werden und das ist auf eine gewisse Art gut so. Stell dir vor, welche Wendungen eure Gespräche, Erlebnisse und Aufgaben nehmen werden …
Meermond
Der Kopf sagt Ja, liebe Anna-Lena.
Aber die wehmütige Mama in mir bleibt noch eine Weile aufgewühlt…
Anna-Lena
Das ist verständlich und vollkommen normal 😉 .
freiedenkerin
Wir hier in Deutschland könnten in so mancherlei Hinsicht so viel von den Dänen lernen…
Meermond
…und die Dänen manches von den Deutschen ?
Aber dennoch muss ich feststellen, dass zwischen DK und D tatsächlich Welten angesichts virtueller Möglichkeiten liegen. Und gerade in diesem Bereich ist es gefährlich, den Anschluss zu versäumen.
Stella, oh, Stella
Hehe, ich hoffe nur, dass du es nicht wie mein Vater machst und deinen Jungs an ihrem 18. Geburtstag vor allen Besuchern ihr vielleicht aufgezeichnetes Baby-Gebabbel vorspielst … 😉
Meermond
Baby Geplapper ist doch süüüüß!
?
Stella, oh, Stella
Glaub mir, ein 18jähriger will damit nicht konfrontiert werden, jedenfalls nicht vor anderen Leuten. Meine Güte war mein Bruder stinkig … 😉
Meermond
???
Jutta
Du hast sehr interessant und natürlich auch emotional geschrieben. Und wir dürfen doch sehr emotional sein, wenn es um unsere Kinder geht. (Ich kann mich gut erinnern) Und ich finde es auch schön, dass sie immer die Kleinen bleiben, auch wenn sie später in den Großen versteckt sind. Habt viel Freude an diesem Jahr mit den großen Veränderungen.
Meermond
Ich danke dir, ich hoffe sehr, dass dieses Jahr etwas mehr Freude bringen kann als die vergangenen zwei ?
Ewald Sindt
Egal wie alt die Kleinen sind, in unserem Gefühlsleben bleiben sie Babys, die behütet werden müssen.
Lieben Gruß, Ewald
?
Meermond
Da hast du Recht. Genau so ist es.
?
Myriade
Ich halte es für eine sehr kluge Entscheidung, die Kinder in eine Schule zu schicken, wo es nicht darum geht, alle auf dem gleichen Niveau zu halten. Das Prinzip, dass eine Kette nur so stark ist, wie das schwächste Glied, lässt leider die starken Glieder verrosten und das ist weder gerecht noch sinnvoll
Meermond
Dem kann ich nichts Besseres mehr hinzufügen 🙂