Projekt Klangkarte – so klingt Dänemark
[Ergänzte Version] Seit gestern läuft ein neues Forschungsprojekt, zu dessen Mitarbeit die ganze dänische Bevölkerung eingeladen ist: Dänemark soll eine Klangkarte erhalten.
Hierzu werden Umgebungsgeräusche gesammelt, die die Menschen via Mobiltelefon aufgenommen haben. Alle Daten sind relevant, egal, wo sie aufgenommen wurden:
Wie klingt ein dänischer Kindergarten? Wie ein Einkaufszentrum? Wie der Wald? Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis die Forscher kommen werden und krame derweil etwas in meinen Erinnerungen und meinen eigenen Handyaufnahmen bei Instagram.
Der Klang des Meeres
Aufgrund geografischer Begebenheiten behaupte ich, dass Dänemark ziemlich stark nach Meer klingt. Im Osten streichelt die Ostsee die Füße ihrer Badegäste meist freundlich einladend. Es schwappt und plätschert fröhlich vor sich hin. Fast so wie an einem großen Badesee.
Im Westen dagegen ist es wild. Sogar bei ruhigem Seegang ist es meist windig und Handyaufnahmen klingen daher so:
Ich mag es besonders gerne, wenn die Brandung peitscht und beinahe wütend auf die Küste donnert. Doch auch die Nordsee kann friedlich und äußerst einladend sein:
Der Klang der Stille
Dänemark ist dünner besiedelt als Deutschland und daher finden sich hier immer wieder Gegenden, in denen man kein einziges menschliches Geräusch hören kann. Weht dann kein Wind oder fliegen aufgrund der Jahreszeit keine Insekten, hört man nichts. Ich finde dieses Nichts sehr angenehm und habe inzwischen auch nicht mehr das Bedürfnis, diese Stille durch Plapperei zu füllen. Im gestressten Ohr kann totale Ruhe nämlich durchaus unangenehm sein, ich nehme jene dann als Pfeifen wahr.
Im Sommer lausche ich den Pflanzen, den Insekten und ihren leisen Bewegungen. Sehr still ist es zum Beispiel im Store Vildmose, wo ich selbst oft die lauteste Geräuschquelle bin.
Tierwelt
Ab und an wird es auch ohne menschliches Zutun laut im Store Vildmose.
Im Herbst beziehen unzählige Schwäne aus Schweden ihr Winterquartier und feiern ihre Ankunft mit aufgeregtem Gesang. Dann kann man nicht einmal mehr die überall kreischenden Möwen hören. Nach ein paar Tagen hat sich die große Gruppe in einzelne „Familien“ getrennt, die sich über das gesamte Moorgebiet verteilen. Erst im März sammeln sie sich die Schwäne wieder. Sowohl Ankunft als auch Abreise sind ein Spektakel, für das viele Menschen am Straßenrand anhalten.
Im Landesinneren hört man die Geräusche, die man auch aus Deutschland kennt: Verkehrslärm, Stadtgeräusche, Kühe auf den Weiden, Landwirtschaftliche Geräte, Flugzeuge, Insekten und so weiter.
Im Süden von Aalborg, um genauer zu sein im Lille Vildmose, kann man zwischen den unzähligen Vögeln und Seen vielleicht sogar einen Elch entdecken. Ihr Gesang erinnert mich ein wenig an Walgesang und ich hoffe, ihn eines Tages selbst hören zu können.
Wald
Ich bin mir nicht sicher, ob es meiner Phantasie geschuldet ist oder einer gewissen Romantik. Aber ich finde, dass nordische Wälder einen anderen Klang haben als südliche. Sie klingen geheimnisvoller, schwerer und weiter.
Überall wächst Moos und verwandelt knorrige Baumwurzeln in behaarte Arme und Beine, die sich im ausgewaschenen Boden festkrallen. Fast schon automatisch denke ich an Wichtel und Trolle, die zwischen den Bäumen auftauchen könnten. Es ist nicht gruselig in dänischen Wäldern, dafür scheint zu viel Licht hindurch. Dennoch haben ihre Klänge nichts mit der lebhaften Leichtigkeit italienischer Pinienwälder gemein. Jedes Mal glaube ich einen Hauch nordischer Mythologie zu spüren und es ist, als legten sich die Geräusche wie eine schwere Wolldecke um mich.
Menschen
Wie überall auf der Welt ist die Lautstärke der Menschen abhängig vom Temperament. Und wo mehrere Menschen aufeinander treffen, da wird es automatisch lauter und Gespräche verwandeln sich irgendwann in Geschrei. Dennoch behaupte ich, dass Dänen ruhigere Menschen sind als zum Beispiel Südeuropäer. Wäre ich zynisch, so führte ich dies auf die Nuscheligkeit der dänischen Sprache zurück, die die Menschen dazu zwingt, ihre Lippen beim Sprechen nicht vollständig zu öffnen. [ ➡ hier kannst du hören, wie das klingt]
Doch weil ich nett bin, schiebe ich das Ganze auf die nordische Mentalität und die gelassenere Lebenseinstellung zurück. Die lautesten Menschen in unserem Wohnviertel – es ist so still hier, es fehlen nur noch Tumbleweed auf den Straßen, um das Szenario zu vervollkommnen – sind wir.
Nur ein Geräusch ist penetranter als wir: der bzw. die Rasenmäher. Denn irgendeiner mäht immer in Dänemark! Ich bin gespannt, wie viele Rasenmäher auf der Geräuschkarte Dänemarks sein werden und ob die den Klang der Meere übermähen werden.
Herzlichst,
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10 Comments
Meermond
Natürlich trage ich zu der „Lautecke“ Nordjütland bei. Heute Abend gab es ein herrliches Vogelgezwitscher:
https://meermond.de/wp-content/uploads/2019/04/Klang-Dänemark-Meermond.jpg
Claus H.
Das ist ja mal ein tolles Projekt, ich bin gespannt, wo es in welcher Form am lautetesten ist, schließlich kann ja selbst Stille laut werden, wie dein Piepen im Ohr zeigt. Ich erinnere mich an einen Moment am Ringköbingfjord vor ein paar Jahren. Während wir am Ufer standen, hörten wir plötzlich ein lautes Rauschen in unserer Nähe, als ob ein Zug mit hoher Geschwindigkeit vorbei fährt. Wir haben uns tatsächlich umgeschaut und nach einem Zug Ausschau gehalten. Dann haben wir allerdings gemerkt, dass es sich um einen riesigen Schwarm von Blesshühnern handelte, welche im Wasser starteten und kurz darauf wieder landeten. Schade dass ich das nicht festgehalten habe. Bis heute haben wir so ein natürliches geräusch in der Stärke nicht wieder gehört.
Meermond
Ich stelle mir gerade vor, wie sich das angehört haben muss. Den Schwänen habe ich schon mehrfach zugesehen und habe eine ungefähre Vorstellung ?
Über das Endergebnis halte ich dich natürlich auf dem Laufenden!
Liebe Grüße
gkazakou
tolles Projekt! Und du hast schon vele Mosaiksteine dazugetan. Grad vor ein paar Tagen kommentierte ich bei Ulli, dass ich mich erinnere, wie anders dänische im Vergleich zu deutschen Kinderspielplätzen waren. Kein Geschrei, Gezeter,, Wichtigtun, sondern ruhiges Miteinander, man reichte sich den eimer, die Schaufel, sagte dabei auch was, aber alles auf eine freundliche Weise. ich hatte damals (1961) auf dem Fährschiffs „Theodor Heuß“ angeheuert und fuhr täglich hin und her, vorher war ich auf einer Segeltörn unterwegs, und immer fiel es mir auf.
Meermond
Es stimmt, liebe Gerda, auch ich empfinde den Umgang mit Kindern hier als ruhiger und auch gelassener als in Deutschland. Ich habe heute in der Schule meiner Kinder gefilmt. Du siehst es in den Storys bei Instagram. Mäusestill, obwohl einige Klassen schon aus hatten! Ich bin ebenfalls sehr gespannt auf das Endergebnis und werde natürlich hier berichten ?
Schönes Wochenende
BallesWorld
Traaaauuuumhafte Fotos, mit einem kleinen Problem. Meine Sehnsucht die See zu besuchen wird immer größer und das Zeitpaket hierfür tendiert gegen null. Ich werde mich an den Fotos satt sehen müssen ? Dann nehme ich noch Stellas dazu und dann geht es wieder, bis zum nächsten Beitrag.
Liebe Grüße
Balle
Meermond
Vielen herzlichen Dank, liebe Balle. Bitte entschuldige die verspätete Antwort, ich fand deinen Kommentar tatsächlich im Spamordner!??? Das verstehe mal einer!
Stella und ich liefern dir gerne viele schöne Bilder und wir füllen derweil unsere Mägen mit deinen Rezepten 🙂
Ganz liebe Grüße aus Nordjütland !
BallesWorld
Ich muss Euch ja bei Kräften halten, damit Ihr nicht weg geweht werdet?
Liebe Grüße
Balle
Stella, oh, Stella
Herrliches Projekt! Rasenmähen und Holz sägen mit der elektrischen Säge natürlich … 😉
Meermond
Wir haben uns etwas amüsiert, als wir davon gelesen haben.
Ich bin tatsächlich gespannt, was da am Ende herauskommt ?