Rubjerg Gammel Kirkegaard
Nordjütland,  Reisen in Dänemark

Rubjerg Gl. Kirkegård – wo Ruhe vollkommen ist

Den alten Friedhof von Nørre Rubjerg kennen viele vermutlich hauptsächlich deshalb, weil er auf dem Weg zum Rubjerg Knude Fyr liegt. Manche fahren achtlos an ihm vorbei, denn so spektakulär wie die beliebte Attraktion auf der Düne ist er nicht.

Doch vermag er mein Herz weit mehr zu berühren als der beliebte Leuchtturm.

Rubjerg Gl. Kirke

Im Dünengebiet nördlich von Nørre Rubjerg stand einst eine große Kirche. Ursprünglich befand sie sich im Süden einer größeren Siedlung, welche aufgrund starken Sandflugs zunehmend verlassen werden musste. Die Menschen zogen etwas weiter in den Süden. Pflugspuren unter der Sanddecke geben Hinweise darauf, dass das Land im heute verwilderten Dünengebiet einst fruchtbar gewesen war.

Um 1600 herum stand die Kirche schließlich einsam inmitten einer Landschaft, die eher einer Wüste geglichen haben muss. Die Kirchenchroniken erzählen von schweren Zeiten, in denen die Gemeinde kein Geld mehr hatte, ihre Kirche zu erhalten. Sie verfiel immer mehr. Heute erinnert nur noch ein Mauerrest an sie.

Gammel Kirke Rubjerg Mauerrest
Der letzte Rest der Kirche

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich bei den Gläubigen ein zunehmender Widerwille, den langen Weg zur Kirche in den Dünen zurück zu legen. 1904 baute man sie daher ab. Das Material wurde teilweise für den Neubau der zwei Kilometer südlich gelegenen Kirche verwendet. Seitdem liegen die Gräber des alten Friedhofs verlassen zurück.

Gammel Kirkegård

Friedhöfe haben eine eigene Aura: Sie erzählen vergangene Geschichten, erinnern an Erlebnisse und haben eine Seele. Die Seele des Friedhofs bei ➡ Mårup Kirke ist mitreißend (sic) und bestürzend. Ganz anders erscheint mir das im Gl. Kirkegård von Rubjerg. Hier ist Ruhe perfekt.

Eingang Gammel Rubjerg Kirkegaard
Der Eingang zum Friedhof ist einladend.

Stark verwitterte Steine erzählen von einem Kampf gegen harte Naturbedingungen. Das Leben der Menschen, die darunter ihren Frieden gefunden haben, war von Armut geprägt. Und natürlich liegen im Gl. Kirkegård auch Seemänner begraben.

Seemannsgrab Gl Rubjerg Kirkegaard
Hier ruhen ertrunkene Seeleute.

Doch vom Schaudern, wie sie zum Beispiel der Friedhof der Mårup Kirke vermittelt, ist nichts zu spüren.

Die Schönheit des Verfalls

Die Zeit hat sich tröstend auf die betrauerten Toten gelegt. Blühende Büsche, liebliche Hügelchen umarmen verrostete Gräber und verwitterte Grabsteine. Die Stille wirkt liebevoll, der Frieden wärmend.

Gräber Gl Kirkegaard Rubjerg
Verrostet schön!

Der Verfall dieses Friedhofs ist schön.

Nicht nur ich habe vergeblich versucht, den Namen auf dem von Blumen überwucherten Grabstein zu entziffern. Ich schäme mich etwas, als ich meine Fußspuren als Eindringen in etwas Perfektes erkenne. Die Gräber sind eins geworden mit der Natur.

Gammel Kirkegaard Rubjerg blühende Bäume
Blühende Bäume auf dem alten Friedhof

Das Rätsel um das Granitkreuz

Besonders interessant ist das verwitterte Granitkreuz. Niemand weiß, an wen das romanische Kreuz erinnern soll. Es ist vermutlich aus der Zeit um 1180 und verschwand 1980 spurlos vom Friedhof.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Dieb, der das Kreuz neun Jahre später anonym zum Historischen Museum gebracht hat, Scham empfunden haben muss. Scham darüber, die perfekte Ruhe dieses Friedhof gestört zu haben.

Man behielt es eine Weile im Museumsgarten, aber dort gehört es einfach nicht hin. Seit 2006 steht es wieder an seinem ursprünglichen Platz.

Granitkreuz Gl Rubjerg Kirkegaard
Das rätselhafte Granitkreuz.

Der außergewöhnliche Todestag

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Grabstein Willum Hansen Rubjerg Gl. Kirkegård
Das Grab des Willum Hansen

Zugegeben, man muss etwas genauer hinsehen. Das Grab des Willum Hansen ist einzigartig: sein Todesdatum gibt es nicht.

gestorben am 31. April 1877.

Die Witwe des Verstorbenen konnte die 2 Kronen, die eine Umänderung gekostet hätte, nicht aufbringen. Und so ist ihre falsche Angabe bei Bestellung des Grabsteins bis heute erhalten.

Als wir alle Pfade auf dem Friedhofsgelände erkundet haben, ist uns die Lust auf atemberaubende Ausblicke auf der in Sichtweite liegenden Steilküste vergangen. Wir ziehen uns in die Dünengebiete entlang des Nordsøstien zurück und behalten die perfekte Ruhe von Rubjerg Gl. Kirkegård noch eine Weile in uns.

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Anmerkung: Gammel (dt. alt) wird in meist mit Gl. abgekürzt.


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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

10 Comments

  • CLAUDIA

    Ein wunderbarer Artikel. Danke dafür.
    Und ja, mir geht es ganz genauso. Ein wunderbar stiller Ort und man fühlt sich etwas als „Eindringling“ beim Betreten des Friedhofs. Dennoch ist ein Frieden dort zu spüren, einfach schön. Den Frieden gab es früher an der Mårup auch. Heute ist der Rest des Mårup Friedhofs oft überlaufen, der Ort verliert an Magie. Hoffen wir, dass es beim Rubjerg Friedhof nicht ähnlich wird.
    Liebe Grüße Claudia (beautifulnorthsea)

    • Meermond

      Danke dir vielmals. Ich denke, der Gl Rubjerg Kirkegaard ist für viele viel zu langweilig. Immer mehr Menschen rasen in fremde Länder, um von Hype zu Hype zu rasen, ein Selfie zu knipsen. Zeit für echtes Reisen und Erholen am und im Ort scheint es immer seltener zu geben.

  • Birgit

    Interessant ist auch die Geschichte des Grabsteins von Willum Hansen, der auf diesem Friedhof liegt. Sein Sterbedatum ist laut Grabstein der 31. April 1877. Ein Tag, den es nie gegeben hat – der April hatte schließlich auch damals nur 30 Tage. Was ist also passiert? Angeblich hat es sich wie folgt zugetragen: Die Frau des Verstorbenenen beauftragte den Steinmetz, den ausgewählten Grabstein zu beschriften. Zu diesem Zweck teilte sie ihm Geburts- und Sterbedatum ihres Gatten mit. Dabei unterlief ihr der entscheidende Fehler: Der Mann starb am 30. und nicht am 31. April. Der Fehler wurde erst bemerkt, als das Datum in Stein gemeißelt war. Mangels finanzieller Mittel entschied die Frau, dass es so bleiben sollte – so wichtig sei das schließlich nicht. Tolle Geschichte, oder? Und ein ganz besonderer Grabstein …

  • Claus H.

    Moin, ich finde du hast absolut Recht mit deiner Beschreibung. Ich war auch dort und habe nahezu die gleichen Fotos gemacht und die Gleichen Gefühle gehegt. Ich habe mich fast geschämt dafür, die doch sehr beeindruckende Stille durch das Klicken der Kamera zu stören. So etwas habe ich auf noch keinem anderen Friedhof so intensiv erlebt. Danke für den tollen Bericht.

    • Meermond

      Leider Claus, danken, dass du mir das anvertraut hast. Ich dachte schon, ich wäre überempfindlich. Aber nun bin ich froh, dass ich mein Empfinden in Worte gekleidet habe. Selv tak. ?

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