Abenteuer im Byglandsfjord
Warum der Byglandsfjord den Beinamen Fjord trägt, ist mir nicht wirklich klar. Geologisch betrachtet sollte es sich um einen Meeresarm handeln, doch gehört er zum Wasserlauf des Flusses Otra. Er ist damit also ein 34 Kilometer langer See mit feinen Sandstränden. Sein Aussehen und die breiten Felsen verleihen ihm den Charme eines typisch norwegischen Fjords. Wie auch immer man den Byglandsfjord fachlich korrekt benennen möchte, eines ist er auf alle Fälle: wunderschön!
Unser ➡ Norwegenurlaub 2020 begann genau mit dieser Aussicht, welche sich tröstlich auf unsere coronageplagten Gemüter legte:
Mineralien im Setesdal
Der Byglandsfjord liegt im Setesdal des im Süden befindlichen Landesteils ➡ Sørlandet. Das Tal zeichnet sich durch einen Reichtum an seltenen Mineralien aus, der jedes Jahr zahlreiche Besucher anlockt. Im Mineralpark in Evje funkelt die größte private Sammlung Europas und überall in der Region kann man man offene Steinbrüche und Abbauschächte finden.
Wir entschieden uns dazu, selbst auf Schatzsuche gehen zu wollen. Der Evje Mineralsti verbindet insgesamt fünf Gruben in einem nur 2,5 Kilometer langen Pfad miteinander. Der Weg ist zwar für Familien mit Kindern recht einfach zu wandern, für Kinderwägen oder Rollstühle leider nicht geeignet.
Unseren Kindern machte es besonderen Spaß, im Abraum der jeweiligen Gruben zu wühlen. Wir fanden Kristalle, Quarze und herrlich grünen Amazonit.
Am Abend entstand dann am Seeufer die Idee, unser Halma in ein Norwegenhalma zu verwandeln. Wir sammelten fleißig Steinchen in passender Größe und in verschiedenen Farben. Das letzte Feld beschlossen wir mit Fluorit zu füllen, welcher die Farbe Lila hat.
Die Suche nach der Tjovhöhle
In unmittelbarer Nähe unseres Campingplatzes befindet sich die ➡ Tjovhöhle. Jene entstand durch den Abbau von Fluorit (Flussspat) und reicht 30 Meter in den Felsen hinein. Der Weg dorthin wird als anspruchsvoll und steil beschrieben, doch aufgrund seiner vergleichsweise kurzen Länge von 1 Kilometer wollten wir es mit den Kindern wagen. Die Tatsache, dass dort einst Diebe gehaust hätten und noch immer Schätze zu finden seien, verlieh unseren Kleinen sprichwörtlich Flügel.
Der Parkplatz zur Höhle liegt in einer Kurve an einer stark befahrenen Straße. Er wäre von unserem Campingplatz aus auch zu Fuß zu erreichen gewesen, doch entschieden wir uns aufgrund der Kinder für einen Wanderweg, der trügerisch sicher gegenüber der Einfahrt zum Campingplatz liegt. Tja, und ab da begann ein wahres Abenteuer …
Wir gehen in Dänemark recht oft wandern und meinen, durchaus geübt zu sein. Doch was wir da am zweiten Tag in Norwegen absolvierten, war schier unglaublich! Der deutlich ausgeschilderte Weg führte uns schon kurz nach dem Eingang über Stock und Stein. Wir hatten stets die Kondition unserer Kinder im Auge und machten viele Pausen, die Kleinen waren hochmotiviert und gehorchten ausnahmsweise auf´s Wort.
Als dann der Pfad immer schmaler und steiler wurde, rutschte mir ein „Heiland, das ist doch komplett irre hier!“ aus. Doch wir kletterten weiter. Die Kinder folgten exakt den Anweisungen desjenigen Erwachsenen, der gerade dran war, einen sicheren Weg durch die Steine zu ertasten. Wir waren getrieben von der Hoffnung, die Höhle bald zu erreichen.
Und plötzlich standen wir auf einem Aussichtsplateau. Wir setzten uns und bewunderten etwas mitgenommen die herrliche Aussicht, als ein in Sandalen (sic!) gekleideter Familienvater und seine beiden Söhnen elastisch wippend an uns vorbeizogen. Dann blieb er stehen, drehte sich zu uns um und zeigte freundlich lächelnd auf seinen Proviantbeutel, der Wasser und Rosinen enthielt. Völlig entspannt und ohne einen einzigen erkennbaren Schweißtropfen im Gesicht fragte er uns, ob wir vielleicht was brauchen würden. Wir bedankten uns höflich und verneinten. Dann sprangen die drei in unfassbarem Tempo weiter in die Höhe und verschwanden im Wald.
Für uns war es an der Zeit, abzubrechen. Dieser Weg führte lediglich auf die „Rückseite“ des Berges und schließlich in ein anderes Tal. Ich erklärte unsere Schatzsuche für beendet und wir machten uns auf den Rückweg.
Ich will das jetzt wissen!
Am Abend erzählten wir dem jungen Mann im Nachbarzelt von unserem Abenteuer. Er lachte und meinte, dass wir tatsächlich erst zum Parkplatz gehen müssen. Der Weg zur Höhle sei aber ganz gerade und wir könnten jene eigentlich gar nicht verfehlen. Er zeigte auf seinen etwa dreijährigen Wonneproppen und schilderte uns, wie brav der mit ihm hochgestiegen sei. Er habe ihm zwar ab und an helfen müssen, aber den Weg könne man locker mit Kindern gehen. Alles sei gar kein Problem. Ich hatte so meine Zweifel. Die Kinder ließen hingegen keinen Zweifel daran, dass sie immer noch die Räuber- und Schatzhöhle sehen wollten.
Mama, ich will das jetzt wissen!
Etwas steif packten wir daher am nächsten Morgen erneut unsere Rucksäcke. Die Sonne schien versöhnlich und sogar die stark befahrene Straße hielt sich für eine Weile ruhig. Es war, als ob alles uns dazu einladen wollte, noch einmal auf die Suche nach der Schatzhöhle zu gehen.
Die Tjovhöhle
Nach etwa 10 Metern war Schluss mit Lieblich, der Wanderweg war wie der vom Vortag! Bis auf die Tatsache, dass wir keinen Felssteig nehmen mussten, war sogar alles genau gleich: Wir kraxelten einen steilen und stellenweise sehr schmalen Pfad hinauf und wieder wurden wir dabei von entspannten Norwegern überholt. Nur wippte dieses Mal auch eine eher unsportlich aussehende Mutter an uns vorbei.
Die letzten Meter waren extrem glitschig und aufgeweicht, doch wir erreichten die Höhle. Sie erwies sich als steil in den Berg hineinragender Schacht, den wir die Kinder nicht betreten ließen. Wir hatten nämlich beobachtet, dass der Vater der norwegischen Familie auf dem feinen Sand in Richtung Abgrund gerutscht war. (Anmerkung: Es ist nichts passiert.)
Die Enttäuschung der Kinder sollte sich aber schnell legen. Denn nicht nur Norweger rutschen in der Höhle nach unten, sondern auch Schätze. Und wir fanden reichlich davon direkt am Fuße des Schachtes:
Wir mussten immer wieder daran erinnern, dass die Rucksäcke mit den Steinen auch wieder hinunter getragen werden müssen. Reine Mineralien fanden wir nur in kleinen Stückchen, doch Spuren an Steinen gab es reichlich.
Nachdem die Steine für unser Familienhalma ausgewählt waren, entschlossen wir uns zu einem Ruhetag am Seeufer.
Schließlich wollten wir ja noch den Gaustatoppen erstürmenwippen.
Lesetipp:
Weitere Informationen:
Norwegische Wanderwege sind meist anspruchsvoller, als man erwartet. Sie führen durchaus auch ungesichert über Wurzeln, Steine und sehr steiles Gelände.
➡ Tjovhola: Wanderweg mit schwierigen Stellen, als herausfordernd deklariert. Dauer etwa 2 Stunden. Nur für wandererprobte Kinder geeignet.
➡ Mineralsti: Einfacher Wanderweg, der auch für ungeübte Kinder geeignet ist.
8 Comments
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Angela
Wunderschön geschrieben, so persönlich und doch als Reiseinformation für jeden Interessierten hilfreich.
Das wird bestimmt einmal eine „Telling Story“ für eure Familie. Ich liebe solche Geschichten. Wenn man sich dann mit seinen erwachsenen Kindern trifft und einer ein Stichwort gibt und alle direkt und immer wieder (egal, wie viele Male man es schon erzählt hat) begeistert dabei sind. Das sind die Momente, die eine Familie für immer verbinden.
Meermond
Ja, das wird sicherlich unvergessen bleiben.
Es freut mich, dass hinter meiner schönen Geschichte ein Mehrwert für Interessierte erkennbar ist. Das war so beabsichtigt ?
Claus Hübner
Das ist ja herrlich, man wandert los zur Höhle und gibt bei den Wegen (oder besser Pfaden, die ich wohl nicht wirklich als solche erkennen und nutzen würde) so ziemlich alles und schwupp – schon den falschen Pfad genommen?. Gut dass es dort überall wohl schön ist und auch ein Fehler toll und abenteuerlich sein kann. Und dann den nächsten schwierigen Pfad auf dem man auch noch überholt wird (wipp wipp wipp?). Dafür aber dann endlich die Höhle und lila Steinchen, ein wirklich erfolgreiches Abenteuer, auch wenn die Jungs nicht rein durften. Wieder ein toller Bericht?
Meermond
Hab vielen Dank für das Feedback. Wir lieben es, unsere eigenen Abenteuer zu finden. Manchmal muss man dazu eigene Wege gehen oder sich einfach nur auf Gegebenheiten einlassen. Uns gefällt das immer sehr ?
Alexander
Liebling, wer uns da elegant wippend überholt hat, war die OMA der sie, ebenfalls wippend, begleitenden Kinder! Für dieses Wanderniveau brauchen wir wohl noch ein paar Urlaube in Norwegen. 😉
Meermond
Bin dabei! Wipp wipp wipp …
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