Auswandern

Warum Auswandern manchmal richtig scheiße ist

Eine Auswanderung ist eine aufregende Möglichkeit, neue Horizonte, neue Länder und neue Kulturen zu entdecken. Doch manchmal tun die Nachteile vom Auswandern fast körperlich weh. Selbst wenn man nicht unbedingt endgültig, sondern nur auf Zeit auswandert, ist der Umzug in ein anderes Land eine zweifellos lebensverändernde Entscheidung. Mit einer Auswanderung geht eine Vielzahl an Herausforderungen und Nachteilen einher. Und oft bringt das Stress, Unsicherheit und emotionale Tiefen mit sich. Und manchmal ist es einfach nur richtig scheiße.

Ich habe es tatsächlich geschrieben! Scheiße.

Nie nehme ich im öffentlichen Sprachgebrauch solche Worte in die Tasten. Trotz vieler Herausforderungen überwiegt bei Meermond immer die Aussage, dass wir durch unseren Lebensweg dazugewonnen haben. Durch unsere Auswanderungen nach zuerst Dänemark und dann nach Norwegen haben wir so viel gefunden, das unser Leben bereichert: Natur, Ruhe, persönliche Weiterentwicklung, Chancen und viel mehr.

Warum also schrieb ich nicht Nachteile vom Auswandern als Überschrift? Das wäre deutlich seriöser und professioneller, gehören verbale Ausfälle nicht zum üblichen Ton von Meermond. Auf Instagram schätzt man meine Authentizität und genau deshalb habe ich tatsächlich Scheiße geschrieben. Weil sich ausgewandert sein manchmal genau so anfühlt.

Alles Scheiße? Nachteile vom Auswandern

Wenn du deine Auswanderung als dauerhaften Urlaub erleben möchtest, empfehle ich einen Lottogewinn. Mit einer Auswanderung wirst du das nicht erreichen können. Eine Auswanderung unterscheidet sich erheblich von einem kurzfristigen Urlaub. Und obwohl wir insgesamt positiv zu unserem Lebensweg stehen, möchte ich dich heute auf Realitäten hinweisen, die mit dem dauerhaften Wechsel des Lebensorts verbunden sind:

Kulturelle Anpassung

Eine neue Kultur zu verstehen und sich anzupassen, ist eine Herausforderung. Im neuen Land triffst du auf Unterschiede in Sprache, Verhaltensweisen und sozialen Normen. Bis du dich sicher in dieser neuen Kultur bewegen kannst, erlebst du auch Missverständnisse und Frustration. Die Gebrauchsanweisung für deinen eigenen Platz in dieser Kultur musst du dir selbst erarbeiten.


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Soziale Isolation

Mit der Auswanderung verändern sich enge soziale Bindungen und der Kontakt zu Familie und Freunden. Plötzlich bist du allein. Neue Freundschaften aufzubauen und in die Gemeinschaft integriert zu werden, erfordert Ausdauer und viel Eigeninitiative. Du wirst in einem Land leben, in dem alle Menschen um dich herum schon lange ein soziales Netz aufgebaut haben. Sie haben bereits Freunde, Familie und ein wohlfunktionierendes Leben mit ausreichend Freizeitbeschäftigungen. Es liegt an dir, diese Menschen davon zu überzeugen, dass genau du der-/diejenige bist, der/die noch dazugehören sollte.

Sprachbarrieren

Die Kommunikation in einer neuen Sprache kann eine der größten Hürden sein. Sprachschwierigkeiten können zu Fehlkommunikationen führen und das Gefühl der Unabhängigkeit beeinträchtigen. Weit unterschätzt ist die Sprache zwischen den Zeilen und die damit verbundene Vielschichtigkeit der getätigten Aussagen. Meint das Gegenüber, was es sagt, oder bedeutet das einen Code, den du noch nicht kennst?

Berufliche Herausforderungen

Die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen, die Suche nach einer Anstellung und die Anpassung an die Arbeitskultur im neuen Land können herausfordernd sein. Dies geht leider mit Unsicherheit und finanziellen Belastungen einher. Und manchmal brauchst du all deine Ersparnisse auf.

Bürokratische Hürden

Jedes Land hat eigene politische und behördliche Strukturen. Die jeweiligen Organe und innerverwaltlichen Verknüpfungen müssen herausgefunden werden. Einen Guide durch dieses System musst du dir selbst erarbeiten. Du weißt also nicht automatisch, an wen du dich wenden musst. Zur Verdeutlichung hier ein kleines Beispiel: An wen wendest du dich in Dänemark, wenn dein Kind einen Sprachfehler hat und du eine Überweisung zu einem Logopäden möchtest? Kleiner Tipp: Es ist nicht der Kinderarzt, den du dort nicht haben wirst, und eine Überweisung bekommst du auch nicht.

Heimweh

Die Sehnsucht nach der Heimat und den vertrauten Umgebungen kann emotional belastend sein. Feiertage, Traditionen und kulturelle Ereignisse können besonders schwer zu bewältigen sein, wenn man Tausende von Kilometern von den Lieben entfernt lebt.

Und was davon ist nun so richtig scheiße?

Mit den obigen Punkten kann man sich arrangieren. All diese können die positiven Aspekte einer Auswanderung aufheben. Im allerletzten Aspekt Heimweh verbirgt sich das Grausamste, das dich als Auswanderer erwartet:

Du bist in einem anderen Land, wenn einer deiner Lieben plötzlich im Sterben liegt. Du sitzt verzweifelt vor dem Computer und suchst nach Möglichkeiten, möglichst schnell nach Hause zu kommen. Und dann bleibt dir am Ende nur das Handy, das dir mitteilt, dass einer der wichtigsten Menschen in deinem Leben gestorben ist. Du warst weder da noch konntest du dich verabschieden.

Gestern verloren wir einen Menschen, der für unsere Familie unersetzlich sein wird. Wir sind gebrochen und wollen zu unseren Lieben.

Leider brauchen wir im Moment nicht nur emotionale Unterstützung. Derartige Katastrophen kann unser Familienbudget derzeit nicht tragen – siehe oben.

Meermond bereitet seit Jahren anderen Menschen Freude, was sowohl Alexander als auch ich von Herzen gerne machen. Wir bekommen täglich total liebe Nachrichten oder E-Mails mit Lob und Dank. Darüber freuen wir uns immer sehr.

Heute möchte ich dich aber um mehr als freundliche Nachrichten oder lobende Worte bitten.

Bitte schenk uns eine Tasse Kaffee.

(⬆ Link zur Spendenplattform Buy me a coffee ⬆ )

Und dass ich eine derartige Bitte überhaupt äußern muss, ist der allerbeschissenste Punkt von allen.

Update am 27. November 2023

Wir haben ein Welle an Hilfsbereitschaft, guten Wünschen und wundervollen Worten erleben dürfen. Durch die Hilfe vieler großzügiger Menschen können wir unsere traurige Reise antreten. Den Link habe ich daher heute deaktiviert, da ein derart wichtiger Artikel in Zukunft nicht dazu dienen soll, um weitere Spenden im Rahmen dieses Trauerfalls zu erbitten. Wer uns in Zukunft eine Tasse Kaffee spendieren möchte, der möchte das lieber aus Freude über die bei Meermond publizierten Inhalte tun.

In Dankbarkeit

Marion.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

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