Schweden

Wir entdecken Astrid Lindgrens Welt

„Ned wahr, ha?“ Mit diesen Worten sollte unser Schwedenabenteuer beginnen. Am Samstag Nachmittag stand vor uns eine zierliche Frau, die uns lächelnd den Schlüssel zu unserem Ferienhaus überreichte und in melodischem Bairisch ihrer Freude Ausdruck darüber verlieh, dass wir aus „Rengschburg“ sind. Da standen wir also mitten in einem schwedischen Wald und tauschten in blitzartigem Tempo vertraute Straßennamen, Erinnerungen und unsere jeweiligen Auswanderergeschichten aus. Dass wir uns hier wohlfühlen würden, war uns nach dieser herzlichen Begrüßung klar.

Die Kinder erkundeten derweil in erstaunlichem Tempo das großzügige Gelände. Sie fühlten sich sofort wohl hier. Als ich dann schließlich den Schlüssel ins Schloss steckte, drehte ich besonders langsam um. Ich wollte diesen Moment bewusst erleben. Wie riecht es in einem Haus, das aussieht, als wäre es ➡ meinem roten Maditabuch entsprungen?

Wir liefen aufgeregt in alle Zimmer, steckten unsere Nasen in alle Ecken. Was für ein schönes Zuhause!

Im Kaminzimmer steht eine aufklappbare Küchenbank.

Unsere merkwürdige Anreise

Bis wenige Stunden vor Antritt der Reise war nicht wirklich klar, ob wir überhaupt fahren können. Erneute Reisebeschränkungen oder die Wiedereinführung von Quarantäne hätten unser Vorhaben unmöglich gemacht. Die gesamte Woche über rechnete ich mit einer dritten Umbuchung und kündigte unsere Pläne daher in der Öffentlichkeit nicht wie üblich lautstark an. Doch die Einschränkungen und Maßnahmen, die die Regierung am Freitag Nachmittag bekannt gegeben hatte, erlaubten unsere Abreise am frühen Samstagmorgen.

Während der Überfahrt mussten wir eine Maske tragen und die Fähre war erschreckend leer.

„Es sind viele Leute entlassen worden“, meinte der nette Koch im Restaurant traurig. Ich hatte das Gefühl, besonders zuvorkommend und freundlich umsorgt zu werden. Als hätten die Mitarbeiter der Fähre es genossen, ihrer Arbeit wieder (oder noch?) nachgehen zu dürfen.

Das Frühstücksbuffet war durch vorbereitete Teller ersetzt worden und die Auswahl dementsprechend begrenzt. Im halbleeren Restaurant war es ruhig, die wenigen Gäste gingen sich aus dem Weg.

Allein die Eismaschine verbreitete ein bisschen Urlaubsstimmung. Noch nie haben wir um halb neun Uhr morgens ein Eis gegessen. Ich empfand es beinahe als Erleichterung, als wir das merkwürdig stille Schiff wieder verlassen durften.

Watteweicher Wald

Unser rotes Häuschen liegt im Västra Götalands Län. Um uns herum ist Wald und viel Natur. Wir hören keinen Verkehrslärm und haben keine elektrische Straßenbeleuchtung. Wenn die Nacht hereinbricht, dann ist es absolut dunkel. Und still. Doch diese Stille ist anders als diejenige, die wir auf der Fähre erleben mussten. Sie ist befreiend und freundlich.

Gleich nach unserer Ankunft machten wir einen ersten Erkundungsspaziergang. Schnell fiel uns auf, dass hier alle Steine mit Moos bedeckt sind und überall Flechten wachsen. Viele Farne sind bereits braun, die Laubbäume bunt und das Licht weich. Wir verließen den Waldweg und spazierten zwischen den Bäumen umher.

Weicher Moosboden

„Mama, das wird immer schöner hier!“

Der Waldboden federte unter unseren Schritten. Wir fanden Steinpilze und genossen es, auf dem watteweichen Moosteppich zu laufen.

Urlaub bei Astrid Lindgren

Nach dem Abendessen feuerten wir gleich den Kachelofen an, denn sobald die Sonne verschwunden war, begann es ungemütlich frisch im Haus zu werden.

Als die Kinder eingeschlafen waren, holte ich mein rotes Buch hervor und suchte nach dem Bild, in dem ich mich befand.

In Gedanken tauchten vor mir Madita und Lisabeth von Birkenlund auf.

Die harte Holzbank, auf der ich Platz genommen hatte, sieht genau so aus wie die Küchenbank, aus der die Magd Lina mit einer geschwollenen Backe herausklettert.

Wenn ich aus dem Küchenfenster sehe, blicke ich direkt auf einen Holzschuppen. In ihm könnte Michl gerade eine seiner Holzfiguren schnitzen, wenn es ihn denn gäbe.

Es fühlt sich an, als wären wir in Astrid Lindgrens Märchenwelt eingetaucht.

Holzschuppen des Johanshus

Unser Zuhause ist alt und lädt seine Besucher dazu ein, auf Zeitreise zu gehen. Es stand bis 1907 noch an einer anderen Stelle und wurde dann zwischen Birken und Felsen wieder aufgebaut. Einst war in den kleinen Räumen sogar eine Sonntagsschule untergebracht. Die derzeitigen Besitzer möchten den Charme des Johanshus erhalten und pflegen es lagom. Das bedeutet, dass in unserem Ferienhaus nicht alles perfekt ist, aber genau das macht es für uns perfekt. Gerne tauschen wir den Wohnkomfort des 21. Jahrhunderts gegen die romantische Phantasie vergangener Tage ein. Wir sind alleine inmitten einer herrlichen Natur und sind gleichzeitig an ein modernes Glasfaserinternet angeschlossen, über das wir Filme von Astrid Lindgren ansehen können.

Wilde Natur und Schokolade satt

Unseren Sonntagsspaziergang machten wir in einem Hochmoor. Durch das Naturreservat Vängamosse führt ein behindertengerecht ausgebauter Holzsteg, der herrliche Ein- und Ausblicke auf ein ehemaliges Torfgebiet ermöglicht. Nach einer Weile verließen den barierrefreien Weg und wanderten durch die Farben des Herbstes in einen weiteren Wattewald hinein.

Pfad durch das Vängamosse
Im Vängamosse

Die Aussicht auf ein Stück Kuchen beschleunigte die Schritte der Kinder enorm. In der Nähe des Moorgebiets befindet sich eine Mühle, in der ein Café untergebracht ist. Unsere erste, schwedische Fika machten wir an einem kleinen Mühlfluss inmitten fröhlich plappernder Familien. Ich glaube, die haben deswegen alle so geguckt, weil wir so viel Kuchen gekauft hatten: sechs Stück Kuchen und eine große Tüte mit gemischten Keksen für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Wir wussten einfach nicht, was wir angesichts des prachtvollen Angebot der Vängakvarn hätten auslassen sollen. Alles schmeckte ausgezeichnet und zu unserem Erstaunen sogar der Kaffee! (Anm.: Wie treue Leser bereits wissen, erwarten wir keinen wohlschmeckenden Kaffee mehr in Gaststätten, seitdem wir in Dänemark leben.) Satt und schokoladenglücklich kehrten wir in unser gemütliches Häuschen zurück.

Unser Schwedentraum bei Naturhäuschen

Ich habe bereits vor ein paar Monaten berichtet, dass wir das Johanshus in Kooperation mit ➡ Naturhäuschen.de bewohnen dürfen. Uns persönlich spricht das Firmenkonzept, das die Menschen an die für sie richtigen Orte schicken möchte, sehr an. Zusätzlich leistet Naturhäuschen einen aktiven Beitrag zum Erhalt der Natur und bietet verschiedene Arten von Unterkünften abseits der großen Ferienhausgebiete an – auch in Dänemark! Zu jedem Haus werden Informationen zu Verbrauch, Umwelt- und Ressourcenschutz angeboten und pro Buchung wird ein Euro an lokale Naturprojekte gespendet. Uns ist es wichtig, auch bei Reisen auf Nachhaltigkeit und Slowtravel zu achten, darum fühlen wir uns hier und bei Naturhäuschen mehr als wohl.

Mehrmals öffnete ich heute bereits das Küchenfenster und steckte meinen Kopf hinaus. Die Vögel zwitscherten, die Blätter der Birke tanzten langsam zu Boden und in meinem Kopf sang ein kleines Mädchen:

Lille katt, lille katt, lille söte katta. Vet du att, vet du att, det blir mörkt om natta.*

Text: Astrid Lindgren

Ja, es wird dunkel im schwedischen Wald. Aber es gibt viele Lampen hier im Haus, der Maditaofen bullert, neben mir steht eine Tasse Blaubeersuppe und gleich hole ich mir ein Buch aus dem gut bestückten, deutschsprachigen Bücherregal.

Wenn es dunkel wird, leuchten alle Fenster.

Schlaft gut und herzliche Grüße aus Schweden,

* Kleine Katze, kleine Katze, kleine, süße Katze.Weißt du dass, weißt du dass, dass es dunkel wird in der Nacht. ➡ Ida bei Michl aus Lönneberga.


Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Naturhäuschen.de. Dafür und für die ➡ vielen gepflanzten Bäume sagen wir herzlichen Dank.

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

25 Comments

  • Steffi

    „Hmmm, mmmhm, die ist aber lecker…“. So die Genießerworte eben.
    Herzlichen Dank für dein Rezept der Blaubeersuppe :-)! Habe sie vorhin gekocht und gleich danach mit den Kindern probiert.
    Das Süppchen wird es nun öfter geben. Vielleicht auch mal bissel verwandelt – zu Milchreis oder mit Rotwein punschig aufgegossen? Mal sehen.
    Liebe Grüße 🙂

    • Meermond

      In Schweden isst man die Blaubeersuppe ja mit Griesklößchen. Eine Verwandlung mit Milchreis passt also bestimmt. Es freut mich, wenn ihr jetzt auch im Blaubeerhimmel schwebt 🙂

  • Steffi

    Guten Morgen und oooh jaaa – die Bücher sind gefunden und die Titelmelodien schwirren durch den Kopf ;-).
    Ganz besonders spricht mich euer Foto vom Wald an – beim betrachten kann ich den Wald schon fast riechen und die Stile „hören“.
    Im Internet bin ich „blaubeersuppenrezeptfündig“ geworden und werde mich dieser Tage an dieser versuchen.
    Schwarzwaldgrüße in den Norden!

  • Angela

    Das ist ja wirklich wie ein wahr gewordener Traum aus Kindheitstagen! Fehlt nur noch die Trissebude, aber auf die ist man, glaube ich, auch wenn man ein Naturhäuschen gebucht hat, nicht unbedingt scharf?
    Danke, dass wir alle alles so nah miterleben dürfen! Ich kann es nicht fassen, dass der Ofen 1:1 wie auf dem Bild im Buch aussieht.
    Genießt den Traum in vollen Zügen!

    • Meermond

      Als ich mich durch das Angebot von Naturhäuschen blätterte, fiel mir der Ofen sofort ins Auge. Ich rannte ins Nebenzimmer und holte das Buch. Und dann buchten wir das Johanshus.
      Eine Tissebude haben wir hier nicht, aber dennoch ein ziemlich spezielles Klo. Es gibt ja keinen Kanalanschluss hier, darum haben wir ein Separett hier drin. Funktioniert erstaunlich gut!
      Wir haben uns fabelhaft wohlgefühlt und werden uns immer gerne an diese ganz besonderen Tage erinnern <3

  • Ursula

    Das ist ja ein sooo schöner Bericht von dir. Man möchte eigentlich gleich losfahren und das Häuschen besuchen. Ich liebe auch die Astrid Lindgren Geschichten, und bei deiner Beschreibung könnte man denken, ihr seid gerade mittendrin … in so einer Geschichte.
    Toll, vielen Dank ?
    Jeg ser frem til flere rapporter

  • Stella, oh, Stella

    Das ist aber eine Überraschung, ihr habt es geschafft, nach Schweden zu kommen, ohne drohende freiwillige Quarantäne! (Wenn eine Quarantäne freiwillig ist, bedeutet das, dass man nicht unbedingt muss???)
    Euer Häuschen ist ja einfach nur goldig, wie aus einem Astrid Lindgren Buch eben. Und die schwedischen Wälder und Seen sind so schön, dass es fast schon weh tut. Ich wünsche euch noch eine schöne Zeit!

    • Meermond

      Hej Birgit,
      ich danke dir. Ich war mir tatsächlich bis zur konkreten Abreise nicht sicher, ob wir wirklich fahren können. Das ist einfach alles so verwirrend. Und nervig. Vermutlich genießen wir es deshalb besonders, in der Stille eines Walds zu sitzen, ab und zu herumzustreunern, keine Zeitung zu lesen und die Nase in die Sonne zu halten. Liebe Grüße ?

  • Steffi

    Herzlichen Dank für den so schönen Bericht, die Worte und Erinnerungen, welche sich mir bei lesen durch den Kopf gemütlich einschleichen.
    Muss nachher gleichmal in der Bücherkiste nach den Astrid Lindgren Bücher schauen :-).
    Ich werde mir gleich mal die Webseite anschauen und dabei weiter träumen…
    Liebe Grüße an euch!

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