dänische Kultur

10 Merkmale, an denen du erkennst, dass du schon zu lange in Dänemark lebst

„Alexander, was heißt eigentlich „hjemmeside“ auf Deutsch?“ Dieser kleine, banale Satz. Eine kurze, unwichtig wirkende Frage. Beinahe nebensächlich eingeschoben in einen Schwall deutscher Ausführungen während eines Livestreams in der Innenstadt von Aalborg. Mein Schlüsselmoment.

Lebt man eine Weile in einem anderen Land, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man bemerkt, dass etwas anders geworden ist. Und je länger man über diese Feststellung nachdenkt, umso deutlicher wird es, dass nicht etwas anders geworden ist, sondern man selbst.

Ein Leben im Ausland bringt nämlich nicht nur räumliche, sondern auch ganz persönliche Veränderungen mit sich. Manche dieser Veränderungen sind witzig. Andere sind erstaunlich. Und wieder andere sind grundlegend. Doch eines sind sie allesamt nicht: schlecht. Persönliche Veränderungen können bereichern und öffnen nicht nur sprichwörtlich die Augen.

Der Schlüsselmoment, in dem man seine eigene Veränderung erkennt, ist vielleicht unbedeutend. In meinem Fall fühlte es sich an, als hätte ich inmitten einer aufgepeitschten Gischt gestanden.

Frau am stürmischen Meer
Woge der Erkenntnis

„Ich bin dänifiziert.“

Da stand ich also und suchte nach dem richtigen Wort. Und das, obwohl ich hier im Blog bereits unzählige Artikel verfasst habe. Obwohl ich als in Deutschland geborene und dort ausgebildete Deutschlehrerin mein ganzes Leben mit der deutschen Sprache verbracht habe. Ein komischer Moment, über den ich tatsächlich lachen konnte. Nun gut, ich bin also dänifiziert und dieser Moment ist auf ewig im Internet* festgehalten.

Ich nehme das als Anlass, über Kennzeichen der Dänifizierung nachzudenken. Ein schönes Wort. Ich finde, es verleiht dem Ganzen eine Prise Humor. Und den bitte ich bei den folgenden Ausführungen stets im Hinterkopf zu behalten, handelt es sich um einen satirischen Text.

„Daran erkennst du, dass du schon zu lange in Dänemark lebst“

Hvad?

Das heißt „Wie bitte?“!

Genau das hörtest du in deiner Kindheit unzählige Male, obwohl eigentlich kaum jemand „Wie bitte?“ sagt. Meist heißt es nur kurz und knapp „Hä?“ oder „Was?“ und dann ist klar, dass das Gegenüber noch einmal von vorne anfangen muss. Als unhöflich empfandest du dein Hä auch als Kind nicht, im Gegenteil. Zu deiner Schulzeit wurde man für ein „Wie bitte?“ auf dem Pausenhof verprügelt!

Wir herrlich ist es für dich, dass du jetzt ungehindert und völlig unrüpelhaft „Wä´?“ sagen darfst, wenn du etwas nicht verstanden hast! Das dänische Hvad kannst du in herrlicher Undeutlichkeit aussprechen, sodass es gar nicht mehr wie ein dänisches Fragewort, sondern eher wie ein Hä vom Pausenhof klingt. Das D, das wie ein lallendes L gebildet wird, kannst du in dieser Sprechsituation sogar komplett weglassen und keiner merkt´s! In der dänischen Sprache sind feine Klangnuancen bei der Aussprache notwendig, daher gehört „Wä´?“ sowieso zu den Wörtern, die du im Alltag am häufigsten hörst. Dänen verstehen sich nämlich oft selbst nicht. Wie praktisch, das eigene Unverständnis mit einem simplen „Wä´?“ zum Ausdruck bringen zu dürfen. Pass nur auf, dass dir das nicht während eines Aufenthalts in Deutschland herausrutscht, denn schließlich triffst du ja nicht ausschließlich auf alte Kumpel vom Schulhof …

Nå!

Du verzichtest auf viele Sätze und gibst häufig nur noch „Nå!“ von dir. Nå kann einfach alles bedeuten und gibt dem Gesprächspartner genau die Antwort, die gerade angemessen ist. Langgezogen, kurz, mit Mimik, ohne Mimik – dem Gebrauch sind keine Grenzen gesetzt! Einfach die Sprachmelodie an die jeweilige Situation anpassen und schon hast du die perfekte Antwort gegeben! Irgendwann bemerkst du, dass das auch in Unterhaltungen mit Deutschen funktioniert. Da du sowieso manchmal deutsche Begriffe vergisst und zunehmend dänische Vokabeln oder Redewendungen in dein Deutsch einbaust, kannst du dir das Schwadronieren gleich komplett sparen! Und dein ehemals fabelhafter Satzbau ist sowieso längst … nå!

Du kannst nicht mehr über zweite Vornamen lachen.

Ach was war das jedes Schuljahr ein Spaß, die bestgehüteten Geheimnisse der Klassenkameraden hören zu dürfen. „Sebastian Maria Hinterhuber!“, „Sandra Elfriede Schmidt!“ Hochroten Kopfes marschierten die vor der Klasse Bloßgestellten jeweils nach vorne, um das Halbjahreszeugnis anzuholen. Und das Beste war, dass es eben keine Erlösung durch die Sommerferien für den dann wochenlang Maria genannten Sebastian gab. Das Gelächter über peinliche Onkel, Tanten usw. hast du als zunehmend verblassende Erinnerung an deine Schulzeit abgespeichert. In Dänemark haben nämlich viele Menschen einen Mittelnamen, wobei es sich um einen weiteren Familiennamen handelt. Darum begreifst du deinen zweiten Vornamen irgendwann auch als Familiennamen, da du ihn in sämtlichen Anschreiben lesen musst. In Deutschland würdest du dich als Herr Maria Hinterhuber vielleicht bis heute vor deinen alten Klassenkameraden verstecken. In Dänemark ist dir das egal.

Du trinkst auch flüssigen Teer.

Dänischer Kaffee härtet ab. Schwarz. Bitter. Verbrannt schmeckend. Viel zu stark. Da diese Brühe zum Hauptnahrungsmittel der Dänen zu gehören scheint, gibst du irgendwann jeglichen Widerstand auf. Tapfer trinkst du dich durch viele Hektoliter. Deine Magenschleimhaut verdickt zunehmend und schon nach ein paar Jahren kannst du auch flüssigen Teer trinken. Ohne Milch. Kein Problem.

Flüssiger Teer schmeckt besonders gut in hübschen Tassen!

Du trägst im Winter Schwarz.

In Dänemark gibt es kein Bunt im Winter. Es gibt Schwarz, Grau und Dunkelblau. Das ist bunt genug. Im vergangenen Winter wurde die Farbpalette noch durch ein dunkles Grasgrün erweitert. Nach ein paar Jahren im Land hast du dich aber angepasst. Du huschst in Tarnfarben durch die langen, dunklen Monate. Und wenn du keinen Leuchtstreifen am Arm anbringst, brauchst du dir nicht einmal Gedanken darüber zu machen, ob die eigene Winterkleidung inzwischen unmodern geworden ist. Das rebellische Grün trägt eh keiner!

Ab 6 Grad ist Sommer!

Temperaturen sind was für Jammerlappen. Ab 6 Grad greifst du souverän zum T-Shirt und genießt die steife Brise Dänemarks. Schließlich bist du wie alle anderen schon wochenlang in kurzen Hosen durch den Schnee gelaufen.

Du findest Umarmungen zur Begrüßung unangenehm.

Du erwartest keine Umarmungen mehr zur Begrüßung. Ein fester Händedruck reicht dir vollkommen. „Das ist mein Tanzbereich und das ist deiner!“, ist zu deiner Normalität geworden.

Du nimmst Fahnen mit zum Flughafen.

Wenn du jemanden vom Flughafen abholen sollst, packst du Papierfahnen ein und stellst dich direkt vor der Glastür beim Gate auf. Die dänische Flagge wedelnd verschmilzt du mit den anderen Fahnenschwingern. Lächelnd übersiehst du die verwirrten Gesichter all derer, die dieses Empfangskomitee für einen Flashmob halten.

Du weißt, dass Panodil alles heilt.

Du hast gelernt, dass man mit der Einnahme von Panodil viele Leiden kurieren kann. Die Erlebnisberichte deiner Bekannten, in denen sogar ein telefonisches „Bitte leg dich hin, trink viel und nimm Panodil. Wenn es dir nach (…) Tagen nicht besser geht, kannst du wieder anrufen“, zu einer Wunderheilung führten, haben dich überzeugt. Wie gut, dass du das Wundermittel überall kaufen kannst.

Du lernst Stricken.

In Dänemark wird gemeinsam gebastelt, geschnitten, geklebt, gemeinsames Handwerk ausgeübt und gepflegt. Und gestrickt. Du fragst dich, wie du jemals ohne Stricknadeln auskommen konntest.

Nååååååå!

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Tipps für eine erfolgreiche Dänifizierung:

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Ich bin Marion und schreibe in unserem Onlinemagazin Meermond zu den Themen Reisen, Fotografie, Kultur und unser Leben in Skandinavien.

14 Comments

  • silberkopf

    Haha ! Sehr gut und witzig geschrieben. Ich kann unserem (sturen) Enkel ja mal erzählen, dass sein“Hä?“ auf jeden Fall geht, wenn auch in Dänemark. Wir müssten nur einen Buchstaben tauschen.
    Aber lieber nicht, das könnte jetzt dann in der ersten Klasse in Bayern zum Problem werden.

  • etoilefilante22

    nå! (begleitet von leichtem kopfnicken) so ist es!

    Und doch: wenn die neuen lieben freunde von gemeinsamen jugenderlebnissen schwärmen, von stars ihrer kindheit oder von büchern, die ihnen die mama vorgelesen hat, wird mir schon bewusst, dass ich nie „ganz“ dazu gehören werde, obwohl ich seit beinahe 20 jahren in der geliebten Bretagne zu hause bin und mir ein anderes leben nicht mehr vorstellen kann und will!

    Bisous vom meer

    • Waltraud

      Grins, wir waren mit unseren Freunden im Krudttårn in Frederikshavn und Mette wollte meinem Mann etwas erklären was dort ausgestellt wurde, aber da sie sehr schnell sprich und auch noch „mümmelt“ verstand er es nicht, und sie bat mich es ihm zu erklären. Kein Problem, aber ich sprach schon den ganzen Tag dänisch – denn unsere Freunde weigern sich mit uns deutsch zu sprechen, schließlich könnten wir ja ihre Sprache und würden so auch immer mehr lernen – und legte los meinem Liebsten eine tolle Erklärung zu liefern ☺ auf dänisch. Mette fing an zu lachen und sagte nur das sie es so auch schon versucht hätte. Das schöne ist aber, daß dieser Abend (es war auch noch das tjordenskjoldfest) in unserer Erinnerung durch diese Episode so lebendig bleibt. Dänemark ist schön

  • Stella, oh, Stella

    Hihi, das mit den Worten die fehlen habe ich auch des öfteren (das wird von Jahr zu Jahr schlimmer). Anfangs habe ich einfach deutsche Worte versucht zu dänifizieren, und manchmal gab es sie tatsächlich und manchmal eben nicht.

  • Birgit Rentz

    Ich musste schmunzeln, während ich den Text las. Und das Bild mit den Tassen hat mich daran erinnert, dass ich eigentlich übermorgen nach Lønstrup aufgebrochen wäre und in der kommenden Woche garantiert mit meinem Mann im Møllehuset Café gebruncht hätte – wenn die Grenze nicht noch dicht wäre. Brunchen wir halt zu Hause und wiederholen den Versuch nächstes Jahr …

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