Naturschutz in Dänemark – ein Land will wilder werden
Dänemark will wilder und naturnaher werden. Dass die Ausweitung der Naturflächen möglich gemacht werden muss, darüber ist man sich im dänischen Parlament klar. Doch wie soll Naturschutz in Dänemark umgesetzt werden? Schließlich ist das Land ein Agrarstaat. Die Flächen, die ungezähmte Natur einnehmen darf, sind gering. Dänemark gehört zu den Ländern der EU, in denen wilde Tier- und Pflanzenarten die schlechtesten Voraussetzungen haben. Erst vor wenigen Tagen sorgte die Meldung, dass erneut Rekordmengen an Spritzmittel im Grundwasser gefunden wurden, für große Entrüstung. So darf es nicht weitergehen!
Dänemark richtet jetzt ein neues Beratungsorgan ein. Ein unabhängiges Gremium aus Experten soll die Regierung im sogenannten biodiversitetsråd schon bald darin beraten, die richtigen Schritte zur Erhaltung und Ausweitung der Artenvielfalt zu tun. Durch entsprechende Analysen und durch die Arbeit des Rates soll es gelingen, die verschiedenen Interessengebiete des Landes zu vereinen.
Dänemarks Natur ist in schlechter Verfassung!
Sobald die Mitglieder des Biodiversitätsrats bestimmt sind, sollen sie unter anderem einen jährlichen Zustandsbericht ausarbeiten, in dem die Maßnahmen zur Erhaltung, zur Ausweitung und die zum Schutz der Natur aufgezeigt werden. Darüber hinaus wurden für das natur- og biodiversitetspakke insgesamt 888 Millionen Kronen bereitgestellt, um unter anderem größere Waldflächen als Urwälder auszuweisen und die Zahl an Naturnationalparks auf 15 zu erhöhen.
Was erfreulich positiv klingt, muss tatsächlich als Reißleine verstanden werden! Über die Hälfte der gesamten Landesfläche ist landwirtschaftlich genutzt, die Naturflächen verringerten sich seit Jahrzehnten konstant. Der EU-Rapport State of nature in the EU von 2020 bescheinigt Dänemarks Natur eine deutlich schlechte Verfassung:
Belgium and Denmark have, on the other hand, the lowest share of habitats with a good conservation status and — together with the United Kingdom — report more than 70 % of their habitats as having a bad conservation status.
https://www.eea.europa.eu/publications/state-of-nature-in-the-eu-2020, Seite 46
Über 70 % der Lebensräume/Biotope befinden sich in einem schlechten Zustand. Viele Tier- und Pflanzenarten haben ihren Lebensraum bereits verloren.
Der Kampf gegen Rasen und Steine
Jeder Quadratmeter zählt! Mit diesem Slogan wirbt man bei den Gartenbesitzern derzeit darum, das eigene Grün verwildern zu lassen. Noch zögern viele, sich von akkuraten Rasenkanten und geharkter, brauner Erde zu trennen. Und viele Menschen haben an toten Kiesbeeten Freude.
Mit dem Projekt Danmarks vilde haver machen der WWF, Ikea und die Haveselskabet darauf aufmerksam, dass wirklich jeder Quadratmeter zählt. Das Insektensterben erfordert Handlungsbedarf! Die Kommune Hjørring holte sich im Kampf um eine gesunde Biodiversität Unterstützung von einem Fernsehstar. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, Dänemarks wildeste Kommune zu werden und erzielt dabei sichtbare Fortschritte. In Hjørring gibt es wuchernde Verkehrsinseln und ungemähte Randstreifen und öffentliche Flächen. Der DR und Frank Erichsen begleiten das Projekt, das hoffentlich viele Nachahmer finden wird! Doch noch gilt es viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Nicht wenige Grundbesitzer wollen sich nicht vom Rasenmäher trennen. In der Fernsehreihe „Giv os naturen tilbage“ entrüstete sich so manche/r Befragte/r über die Unordnung und das schlampige Aussehen der Stadt.
Dänemark mäht und wuchert also um die Wette.
Wilde Natur ist teuer
Gemäß Rasmus Ejrnærs vom Institut for Bioscience Kalø an der Universität Aarhus ist inzwischen eine Biodiversitätskrise eingetreten, in der der Mensch die Natur in einem Umfang nutzt, dass andere Arten ihren Lebensbereich verloren haben. Der Natur muss wieder mehr Raum eingerichtet werden. Das wiederum ist mit Kosten verbunden. Schließlich muss man den Menschen, die sich ihren Lebensunterhalt in der Land- und Forstwirtschaft verdienen, finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.
Im Europarapport wird dazu angeregt, dass alle europäischen Länder bis zu 30 % ihres Naturareals unter Schutz stellen sollen. 10 Prozent davon sollten sogar streng geschützt werden. Eine schwere Aufgabe für Dänemark, sollte diese Anregung in einen Beschluss münden! Schließlich existitiert in Dänemark laut Rasmus Ejrnærs zum derzeitigen Zeitpunkt kein streng geschütztes Naturgebiet.
Wandel ist ein schwieriger Prozess
Landbo Nord teilte mit, dass insgesamt 120 Kilometer lange und drei Meter breite Wildstreifen in Nordjütland eingerichtet seien. Man versuche, bei anderen Unternehmen dafür zu werben, riesige Grünflächen umzugestalten. Landbo Nord setze sich dafür ein, zwischen aufgebrachten Landwirten, Politkern und Naturverbänden zu vermitteln. Doch ganz offensichtlich ist es richtig schwer, einen echten Wandel herbeizuführen. Gleich nebenan raspeln unermüdliche Rasenroboter das gewaltige Areal des Landmaschinenanbieters millimeterkurz.
Es soll Raum für sowohl Natur als auch für Landwirtschaft geschaffen werden. Über die Renaturierung der Moorgebiete wird übrigens auch im Rahmen des Klimaschutzes diskutiert. Wer derzeit mit offenen Augen durch das Land fährt, erkennt schnell, dass etwas im Gange ist. Riesige, ganz offensichtlich gespritzte Felder werden ab und an durch Wildwuchs unterbrochen.
Man wird wohl noch eine ganze Weile brauchen, um alle davon überzeugen zu können, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, zu handeln.
Handeln durch Unterlassen.
Naturschutz in Dänemark – alle müssen mitmachen!
Erst gestern stolperte ich bei Instagram über einen Post, in dem eine Hundebesitzerin davon erzählte, sie sei am Strand von Zivilpolizisten verwarnt worden. Sie habe ihren Hund frei laufen lassen, was zwischen April und Oktober nicht erlaubt ist. Sie fragte in die Runde, ob man denn die Kontrollen erhöht habe. Den Worten anderer im Kommentarstrang konnte ich entnehmen, dass es wohl einige sind, die sich über die Leinenpflicht an dänischen Stränden hinwegsetzen. Urlauber und Einheimische gleichermaßen.
Fakt ist, dass in den Dünen und Heidegebieten Tiere leben, die durch Hunde massiv gestört werden. Und sie gilt es vor der Uneinsichtigkeit vereinzelter Menschen zu schützen. Die Leinenpflicht sollte nicht länger als Bestrafung der Hunde aufgefasst werden. Das ist sie nämlich nicht.
Will man den Naturschutz in Dänemark aktiv unterstützen, dann darf man sich kein „einmal geht das schon“ mehr erlauben. Jedes Jahr halten sich Millionen von Menschen in der dänischen Natur auf. Bei dieser Masse gibt es irgendwann einfach zu viele dieser „einmal geht das schon“.
Versucht, die Welt ein wenig besser zu verlassen, als ihr sie vorgefunden habt.
Robert Baden-Powell
Erfreulicherweise werden es gerade an Stränden immer mehr, die fleißig Müll aufsammeln und entsorgen. Mir hilft der Gedanke, dass nicht jede Hinterlassenschaft mit Absicht am Strand gelandet ist. Schließlich bläst der Wind gerade in Dänemark oft kräftig. Er kann durchaus Picknickkörbe umwerfen oder Teile der Ladung von Anhängern fegen! Ohne moralische Bewertung fällt es mir leichter, fremden Müll aufzuheben. Dann räume ich nicht auf, weil ich besser als ein/e andere/r sein will.
Ich räume auf, weil ich es eben gerade tun kann.
Wir haben inzwischen bei jedem Ausflug Mülltüten dabei. Für uns fühlt sich das genau richtig an.
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14 Comments
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Andrea Ullius
Toll geschrieben. Ich hoffe, die Bemühungen fruchten schnell.
Meermond
Vielen Dank, Andrea! Ich glaube fest an den Gemeinschaftsinn der Dänen. Wenn die etwas erreichen möchten, dann packen alle mit an. Das mag ich sehr an ihnen ?
Stella, oh, Stella
Da bin ich aber froh, dass mein Garten so wild ist. Bei uns wohnen drei Hummelvölker und diverse wilde Bienen oder Wespen, ich kenne mich da nicht so aus. Sie wohnen allerdings nicht in dem Insektenhotel, das ich aufgebaut habe, sondern einfach wild in einem der vielen Baumstümpfe, die bei mir herumstehen. Die Schmetterlinge kommen auch so langsam. Man kann wirklich viel tun im eigenen Garten. Es gibt ja die Initiative „giftfreier Garten“ (giftfri have), was auch sehr zum Erhalt der Insektenvielfalt beiträgt und damit wiederum Vögel anlockt.
Meermond
Dein Garten ist ein wunderschönes Fleckchen Welt! ❤️
Stella, oh, Stella
Das hast du aber lieb gesagt. Im Moment ist er sehr wild … 😉
Waltraud
Super Kommentar Claus?dem stimme ich voll und ganz zu. Wenn jeder nur ein bißchen was dazu beiträgt dann wird es eine grosse Sache und die Natur wird es uns danken.?
Meermond
Genau so ist das auch. Jeder kann was tun. Der eine mehr, der andere weniger. Doch in der Summe ist das toll!
Claus Hübner
Ein toller Artikel, hoffentlich rüttelt er jeden etwas wach. Den solltet ihr tatsächlich auch in eurer Presse veröffentlichen, damit ihn möglichst viele Menschen lesen und etwas tun können. Hier werden an immer mehr Stellen die Sandflächen unterhalb der Strassenbäume von Anwohnern bepflanzt, an vielen Stellen werden kleine Blühpflanzbeete angelegt. Auf Fehmarn war zumindest letztes Jahr ein ganzes Feld entlang ein ca. 5 Meter breiter Streifen mit blühenden Blumen bepflanzt, überall blühten Klatschmohn und Kornblumen. Man ist also bemüht, etwas gegen das Insektensterben und für die Artenvielfalt in Flora und Fauna zu tun. Und da hilft wirklich jeder einzelne Meter. Ich drücke die Daumen, dass auch Dänemark da mitmacht und etwas wilder wird. Wenn dann auch noch jeder nicht nur seinen Müll wieder mitnimmt, sondern auch anderen Müll einsammelt, kann es langsam aber sicher auch besser werden. Es wird jedenfalls höchste Zeit.
Meermond
Lieber Claus, danke für dein positives Feedback.
Ich habe tatsächlich lange damit gehadert, diese bittere Pille zu präsentieren. Aber es wird Zeit, denn jetzt kommen wieder Deutsche ins Land. Jene aufzuklären und zum Mitmachen zu bewegen, ist mein Antrieb.
In dänischen Medien habe ich keine Stimme.
Wenn du mich unterstützen möchtest, dann teile meinen Artikel in Facebookgruppen. Jede öffentlich sichtbare Anerkennung ist wichtig, will man etwas erreichen.
Ich schicke dir ganz herzliche Grüße,
Marion